…werden die Erwartungen hochgeschraubt und am Ende enttäuscht. Ein UN-Klimagipfel ist in aller Regel kein frohes Fest. Aber dieses Mal war die Enttäuschung besonders bitter. Von der COP in Madrid sollte eine klare Botschaft für ambitionierteren Klimaschutz ausgehen – eine Botschaft, die der Dringlichkeit und den Dimensionen dieser Katastrophe gerecht wird, genauso wie der Tatsache, dass die Erde gerade wortwörtlich brennt. Also höhere Ziele, mehr Geld und konkrete Regeln.

Worauf man sich nach unendlich zähen Verhandlungen einigen konnte, ist ein (der kleinstmögliche!) Minimalkonsens. Geradeso wurde die komplette Infragestellung von Paris abgewehrt und die Abschlussbotschaft der 25. Klimakonferenz der Weltgemeinschaft lautet: Ja es stimmt, wir müssen nächstes Jahr ambitioniertere Ziele festlegen. NÄCHSTES JAHR!

So, das war die Enttäuschung. Jetzt zur Hoffnung. Die COP25 Beschlüsse zeigen zumindest, dass die Mehrheit der Staaten fest hinter den Zielen von Paris und gesteigerten Ambitionen stehen, dass Umweltintegrität und Menschenrechte und -leben schwerer wiegen als Geld und damit eine Gefährdung dieser Werte zu Dealbreakern werden,  dass die Blockaden und Tricksereien in den Verhandlungen das letzte Aufbäumen der fossilen Mächte sind – höhere Ambitionen müssen und werden bei der nächsten COP kommen.

 

Die Jugend wird laut

In diesem Blogartikel fassen wir zusammen, was wir während der letzten beiden Wochen ganz konkret erlebt haben. Dabei schwanken wir zwischen Hoffnung und Enttäuschung – und wieder zurück. Denn in jedem Fall hat die COP25 gezeigt, wie unüberhörbar laut die Jugend in diesem Jahr geworden ist. Wo sich die Regierungen in sturer, nationaler Denkweise gegenseitig aufhalten, sieht die Zivilgesellschaft das große Ganze und hat so viel Rückenwind wie nie zuvor.

Einer unserer Schwerpunkte für die diesjährige COP war die Vernetzung mit anderen Jugendlichen aus Europa. Wo die Mitgliedsstaaten der EU mit einer Stimme in die Verhandlungen gehen, müssen auch wir Jugendorganisationen europäischer denken. Ein erstes Ergebnis der europäischen Vernetzung auf der COP25 war ein offener Brief an die neue EU-Kommission, in dem wir Frau von der Leyen, Herrn Timmermans und die Mitgliedstaaten auffordern, die beabsichtigten Klimaschutzbeiträge der EU (die NDCs) deutlich zu erhöhen. Zu deren Besuch in Madrid haben wir mit einer kleinen Aktion auf diese Forderungen aufmerksam gemacht.

 

Von blockierten Verhandlungen und Personenkult

In Woche 1 hatten wir gleich zweimal Gelegenheit, unsere Fragen und Forderungen an die Delegationsleiterin des deutschen Verhandlerteams, Frau Wilke, zu richten. Traditionell geht es dabei natürlich um konkrete Möglichkeiten für mehr Jugendbeteiligung – in den Verhandlungen und am nationalen Entscheidungsprozess zu einem ambitionierteren Klimaschutzziel. Auch schon traditionell folgt der Verweis auf bestehende Formen der Bürgerbeteiligung und auf die vielen weiteren Interessengruppen neben der Jugend, die ebenfalls mit einbezogen werden müssten. Alles richtig und trotzdem fordern wir mehr. Wir sind der Meinung, dass die Jugend nicht nur eine Interessensgruppe neben vielen ist – sie ist DIE Akteursgruppe “für die Zukunft” und sollte deshalb auch überall dort mit am Tisch sitzen, wo über die Zukunft verhandelt wird. Wenn wir unser aller Zukunft nur wie ein Interesse unter vielen behandeln würden, wäre das mindestens fragwürdig.

Spätestens als am Freitag Greta Thunberg auf der Konferenz erschien, war auch die Aufmerksamkeit der Medien dort angekommen. Doch muss man zunehmend auch die Prioritätensetzung der “Berichterstattung” kritisch hinterfragen. Liebe Medien, was ist wichtiger: Inhalte und Informationen oder Personenkult? Der kleine Sit-in Protest in der Veranstaltungshalle am Freitagmorgen war aber nur ein Vorgeschmack auf die Demo durch die Madrider Innenstadt am Abend. 500.000 Teilnehmer sind nicht nur als Zahl beeindruckend, sondern machen auch auf der Straße ordentlich was her. Viele von uns motivierte die Teilnahme an diesem Climate March dazu, unseren privilegierten Zugang zu den Verhandlungen noch besser und vehementer zu nutzen.

Am Samstag fand dann unser lange vorbereitetes Side Event im Deutschen Pavillon statt. Zusammen mit Jugendvertretern von Sail to the COP, NAJU, Fridays For Future, COY15 und FIMCAP  diskutierten wir mit Ingrid-Gabriela Hoven vom BMZ und Norbert Gorißen vom BMU über die Möglichkeiten und Grenzen von Jugendbeteiligung an klimapolitischen Entscheidungen. Mit einem Livestream nach Martinique, wo unsere Clara von Glasow zusammen mit Sail to the COP die Verhandlungen remote verfolgt, und mit dem Input aus der COY15, dem Pendant der Jugend zur Konferenz der UN starteten wir in die sehr lebhafte Diskussion.

Mit Blick auf die Verhandlungen standen insbesondere die Regeln zu den Marktmechanismen (Artikel 6) innerhalb des Pariser Abkommens von Anfang an unter keinem guten Stern. Bisher konnte man sich weder in Kattowitz noch bei den Zwischenverhandlungen in Bonn auf die Details hierzu einigen. In Madrid verhärteten sich die Fronten weiter und die Blockadestrategien einiger Verhandler strapazierte die Nerven bei allen anderen. Die Hoffnung, hier doch noch voranzukommen, lag auf den MinisterInnen, die für Woche 2 angereist kamen. Ein zu schwacher Kompromiss zu Artikel 6 hätte aus mehreren Gründen die gesamte Zielsetzung und Zielerreichung des Pariser Abkommens gefährden können.

Als entschiedenes Zeichen gegen diesen Angriff auf die Integrität des Pariser Abkommens initiierte Costa Rica zum Ende der Konferenz die “San José Prinzipien”, die ein robustes Regelwerk für den Umgang mit diesen Marktmechanismen festlegen. Deutschland schloss sich als erster G20-Staat den Prinzipien an und bis Ende der Konferenz wurden diese von insgesamt 30 Staaten unterstützt, inklusive 17 EU-Mitgliedsstaaten.

 

Der Ruf nach Klimagerechtigkeit in Woche 2

Neben Bundesministerin Svenja Schulze trafen unsere Delegierten in dieser Woche außerdem die Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz in Rheinland-Pfalz, Anne Spiegel, sowie Anja Weißgärber (CSU) und die EU-Abgeordneten Delara Burkhardt und Mohamed Chahim. Außerdem führten wir kritische Gespräche mit Herrn Sach aus der Deutschen Delegation und mit Mitglieder im Umweltausschuss des Bundestages. Hierbei machten wir auch erneut klar: “Ja, wir stehen für Jugendbeteiligung, aber wir lassen uns nicht darauf reduzieren. Wir wissen viel, haben eigene Meinungen und Ideen.”

Außerdem wurden spätestens in Woche 2 noch einmal alle Konferenzteilnehmer an das Thema Klimagerechtigkeit erinnert. Hilda Nakabuye ist FridaysForFuture Aktivistin aus Uganda und arbeitet außerdem daran, den zweitgrößten Süßwassersee des Landes von Plastik zu befreien. Auf einem High Level Panel wandte sie sich stellvertretend für die junge Generation aus dem globalen Süden mit einer emotionalen Rede an die Delegierten und fragte: “Wie lange wollt ihr noch verhandeln?” Standing Ovations von der gesamten Zuhörerschaft und feuchte Augen nicht nur bei uns. Die Botschaft war klar: Während in anderen Ländern, insbesondere im globalen Süden täglich Menschen an Folgen des Klimawandels sterben, übernimmt der globale Norden nicht annähernd genug Verantwortung – die Zeit läuft uns davon! Dass die Entscheidungen zum Thema Loss & Damage, also der Frage der Finanzierung von zukünftigen Schäden und Verlusten der Klimakrise nur wenig befriedigend geklärt wurden, fällt hierbei schwer ins Gewicht.

Die Rufe nach Klimagerechtigkeit waren an diesem Tag schwer zu überhören. Aktivist*innen versammelten sich auf der Bühne und vor den Verhandlungssälen, um ein Ende der Blockaden zu verlangen, genauso wie endlich angemessene Antworten auf diese Krise, die schon heute Menschenleben kostet – und zwar vor allem im globalen Süden. Während in Statements die Zivilgesellschaft und Jugendbewegung gefeiert wird sah die Realität an diesem Tag anders aus. Die Entscheidung des UNFCCC-Sekretariats, diesen Protest auszuschließen, produzierte weitere Bilder und damit Eindrücke, die von dieser COP bleiben werden.

Auch in der zweiten COP-Woche sprachen wir auf weiteren Side-Events und runden Tischen zu Themen wie Geschlechtergerechtigkeit & Klima, Kreislaufwirtschaft und effektivem Klimaschutz durch die Zusammenarbeit verschiedener Akteursgruppen.

Am letzten regulären Tag der COP war der Verhandlungsstand zu Artikel 6 mehr oder weniger der gleiche wie eine Woche zuvor. Zu Beginn des Abschlussplenums rechnete niemand mit einer plötzlichen Einigung. Daher wurde dieses immer weiter verschoben. Von 16:00 auf 18:00, auf 0:00 auf 2:00, bis zum Sonntagvormittag.

Die Zivilgesellschaft beendete daraufhin die Konferenz in einem “People’s Closing Plenary” einfach selbst und viele Sprecher gaben in ihren Beiträgen dem Frust über die erneut erfolglosen Verhandlungen Ausdruck. Die Enttäuschung ist so gut in diesen Sätzen des Indigenous People’s Caucus zusammengefasst:

„Es ist nicht ambitioniert, 7 Generationen vorauszudenken, es ist das Minimum. Es ist nicht ambitioniert indigene Rechte, die von der UN vereinbart wurden, zu respektieren, es ist das Minimum. Es ist nicht ambitioniert, die NDCs einzuhalten, es ist das Minimum. Unsere Rechte zu wahren ist nicht ‚ambitioniert‘, es ist das Minimum. Aber wir wollen nicht das Minimum, wir wollen euch helfen, ambitioniert zu sein!“

 

Der Blick auf 2020

Bleibt die Hoffnung, dass die Regierungen das im nächsten Jahr auch zulassen.

Wir blicken für 2020 vor allem auf die EU. Es wird eine entscheidende Rolle spielen ob sie ein Exempel für konsequente Ambitionssteigerung statuiert und diese dann genauso konsequent umsetzt. Ein erster Schritt wurde mit der Verkündung des Green New Deals getan. Nur wenn die EU nun deutliche Signale für dessen Umsetzung gibt, werden andere große Emittenten wie China, Südafrika und Indien folgen. Ein Gesetz muss bis Februar stehen und bis Sommer ein Entwurf des neuen EU NDC. Wir sind gespannt! Auch eine Entscheidung im Bundeskabinett wird derzeit noch durch unseren Wirtschaftsminister blockiert.

Für uns bedeutet das, wir werden in das Jahr 2020 mit einigen Baustellen starten. Aufgeben ist keine Option. Denn wenn wir aufgeben, geben wir auch die Menschen auf, die von der Klimakrise heute und in Zukunft am stärksten betroffen sind.

 

Anmerkung: Auch dieses Jahr hat die SRzG jungen Menschen der Klimadelegation e.V. die Teilnahme an den Klimaverhandlungen ermöglicht. Mehr Informationen zu den Aktivitäten auf der COP25 finden Sie daher auch auf den Seiten der Klimadelegation e.V.