Generationengerechtestes Gesetz

Mit dem Legislativ-Preis nimmt die SRzG eine ganze Legislaturperiode in den Blick und prüft, welches Gesetz das beste und welches das schlechteste im Sinne der Generationengerechtigkeit war. Für die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags (2017-2021) geht der Legislativ-Preis einen neuen Weg: Ausnahmsweise wird der Preis nicht für ein Gesetz, sondern für das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24.03.2021 vergeben.

Der Inhalt (1)

Das wegweisende Urteil geht auf eine von neun jungen Menschen miteingereichte Verfassungsbeschwerde über die mangelhaften Maßnahmen des ersten Klimaschutzgesetzes (2019) der Bundesrepublik Deutschland zurück, die die Erfüllung des 1,5°C-Ziels des Pariser Abkommens als unzureichend einstuft. Das Pariser Klimaabkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, den 195 Vertragsparteien anlässlich der UN Klimakonferenz, englisch The United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), mit dem Ziel des Klimaschutzes als Nachfolge des Kyoto-Protokolls geschlossen hatten.

Das BVerfG befand das Klimaschutzgesetz teilweise als verfassungswidrig und unzureichend, die jungen und zum Teil minderjährigen Beschwerdeführenden zu schützen und ihnen auch in Zukunft ihr Freiheitsrecht zu gewährleisten.

Die Konsequenz war eine Nachjustierung des Klimaschutzgesetzes. Die vorgenommenen Änderungen manifestieren sich im 2021 verabschiedeten Klimaschutzgesetz. Darin hat sich die Bundesregierung auf neue Klimaschutzziele geeinigt: Die Emissionsreduktion von 65% bis 2030 (+10%) und von 88% bis 2040 im Vergleich zu 1990 sowie die Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 (-5 Jahre).

Bewertung des Urteils (2)

Die Jury begründet die Vergabe des Legislativ-Preises für das Urteil des BVerfG vom 24.03.2021 wie folgt:

Das wegweisende Urteil erklärt erstmalig einen konkreten Verstoß des Gesetzgebers gegen das Prinzip der Generationengerechtigkeit für verfassungswidrig und es ist davon auszugehen, dass dieser zukunftsweisende Richter*innenspruch das Verständnis der Rolle der Generationengerechtigkeit in Politik und Gesellschaft verändert.

Die starke Orientierung der Richter*innen an Art. 20 a GG, der auf die Pflicht zum Schutz künftiger Generationen verweist, ist bis dato einmalig. Das Urteil ist demnach als revolutionär zu charakterisieren, da es den Freiheitsbegriff neu deutet: Die Freiheit der heute lebenden Generationen wird durch die Freiheit künftiger Generationen begrenzt.

1 Eine ausführlichere Beschreibung zum Inhalt ist im Positionspapier der SRzG zum Kohleausstieg unter Punkt 5.3.2. „Urteil des Bundesverfassungsgerichts und politische Reaktion“ zu finden.

2 Die Position der SRzG zum Urteil des BVerfG, u.a. mit Einschätzungen unserer Botschafter ist in der Pressemittteilung vom 21.05.2021 einsehbar.

Negativ-Preis: Generationenungerechtestes Gesetz

Der Legislativpreis für das generationenungerechteste Gesetz der vergangenen Legislaturperiode vergibt die SRzG an das von CDU/CSU und SPD verabschiedete „Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung“ verliehen. Besser bekannt ist es als Rentenpaket 2018. Den Negativpreis vergab die SRzG an das von CDU/CSU und SPD verabschiedete Rentenpaket 2018. Eine Beschreibung und ausführliche Bewertung des Gesetzes findet sich in diesem Dossier.

Der Inhalt

Der zentrale Bestandteil des Rentenpakets ist die Veränderung der Rentenformel und die Einführung der sogenannten „doppelten Haltelinie“. Dieser Mechanismus garantiert, dass das Rentenniveau nicht unter 48% sinken und gleichzeitig der Beitragssatz nicht über 20% steigen wird. Diese Regelung soll vorerst bis 2025 gelten. 2 Elemente des Gesetzes sind besonders relevant: Die Aushebelung des Nachhaltigkeitsfaktors und die Aussetzung des Nachholfaktors.

Bewertung des Gesetzes 

Die gesetzliche Rentenversicherung basiert auf dem Generationenvertrag, wobei heutige und künftige Arbeitnehmer:innen als die eine Partei und die heutigen Renter:innen als die andere angesehen werden. Das Rentenpaket kündigt diesen Generationenvertrag auf. Die Aushebelung des Nachhaltigkeitsfaktors verhindert eine faire Verteilung der finanziellen Lasten auf Rentenbeziehende und Beitragszahlende.

Der Nachhaltigkeitsfaktor wurde im Jahr 2005 eingeführt, um die Auswirkungen des demografischen Wandels zu dämpfen und um die Finanzierung der Renten zwischen Rentenbeziehenden und Aktiven zu teilen. Nötig war das wegen der zahlenmäßigen Verschiebung des Verhältnisses von Rentenbeziehenden zu Beitragszahlenden. Die Jüngeren zahlten etwas mehr Beiträge ein, während die Älteren etwas geringere Rentenerhöhungen bekamen. Dadurch wurde keine Generation bevorzugt oder benachteiligt. Dieser Mechanismus wurde mit dem Rentenpaket 2018 ausgehebelt.

Ein weiteres Element des Generationenvertrages, das den jüngeren Generationen vor der Verabschiedung des Rentenpakets zu Gute kam, war der Nachholfaktor. Dieser besagte, dass die Rentenentwicklung langfristig der Lohnentwicklung folgt. Eine Folge der Aussetzung kam durch die Corona-Krise zum Vorschein: Durch den coronabedingten Konjunktureinbruch sank der Normallohnindex. Durch die Aussetzung des Nachholfaktors führte dies jedoch weder zu einer Rentenanpassung noch zur Feststellung eines Ausgleichsbedarfs. Dies hatte zur Folge, dass sich die Schere zwischen Lohnempfänger:innen und Rentenbezieher:innen massiv öffnete.

Die neu gewählte Ampel-Koalition setzte den Nachholfaktor zwar wieder in Kraft, aber der Überschuss, der durch die Rentenerhöhung und die Aussetzung des Nachholfaktors an ältere Generationen ausgeschüttet wurde, wird damit nicht rückgängig gemacht. Dadurch hat das Rentenpaket die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung weiter verschärft.