Bisher ist rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung – die Kinder und Jugendlichen – von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Aber die Interessen von nicht stimmberechtigten Minderheiten tauchen im Kalkül des Politikers, der seine (Wieder-) Wahl organisiert zumeist nicht auf. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen von Staatsverschuldung, Renten- oder Umweltpolitik gewinnt die Frage an Relevanz, ob diese „verlorenen Stimmen“ aktiviert werden können und somit den nachrückenden Generationen im politischen Entscheidungsprozess mehr Gewicht zu verschaffen.

Ein Wahlrecht unabhängig vom Alter ist dringend geboten, weil derzeit alle Menschen unter 18 Jahren pauschal und allein aufgrund ihres Alters vom allgemeinen und gleichen Wahlrecht ausgeschlossen sind. Damit ist die Volkssouveränität verletzt. Die Mitbestimmung der jungen Generation ist mit Blick auf die Generationengerechtigkeit dringend wünschenswert, gerade als Korrektiv für die demografische Alterung der Gesellschaft.

Die Begriffe „Wahlrecht ohne Altersgrenze“ oder „Wahlrecht von Geburt an“ werden häufig dahingehend missverstanden, dass Vorschulkinder oder gar Säuglinge zum Urnengang angehalten werden sollen. Dies ist jedoch nicht die dahinterliegende Intention, da unbestritten ist, dass Säuglinge nicht wählen können. Vielmehr sollen junge Menschen das Wahlrecht erhalten, sobald sie dieses eigenständig ausüben können und möchten. Daher ist auch die Verwendung des Begriffs im Kontext der Debatte um das Elternwahlrecht irreführend.

Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen fordert ein Wahlrecht durch Eintragung. Das bedeutet, dass Jugendliche und Kinder, die ihr Wahlrecht ausüben wollen, dies ab einem von ihnen selbst gewählten Zeitpunkt auch in Anspruch nehmen können. Die Entscheidung können sie unterhalb einer weiterhin fortbestehenden regulären Altersgrenze mittels einer persönlichen Eintragung in das Wählerregister kundtun. Vorstellbar ist, dass unterhalb der regulären Altersgrenze die Briefwahl verboten wird, um die persönliche Wahlausübung zu gewährleisten.

Die moderate Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre auf allen Ebenen ist ein erster Schritt für eine weitergehende Senkung, wie ihn bereits Österreich sowie mehrere deutsche Bundesländer getan haben.

Scheinargumente gegen das Kinderwahlrecht

Die meisten Bedenken, die gegen das Wahlrecht ohne Altersgrenze vorgebracht werden, halten einer kritischen Prüfung nicht stand:

Kategorien wie politische Urteilsfähigkeit und Reife, Wissen oder politisches Interesse sind keine legitimen Kriterien für die Verleihung des Wahlrechts, da sie mit den Geboten einer allgemeinen und gleichen Wahl kollidieren. Überdies werden sie auch bei älteren Bürgern nicht zur Voraussetzung gemacht. Dessen ungeachtet verfügen viele Jugendliche bereits vor ihrem 16. Lebensjahr über alle kognitiven Fähigkeiten, eine stabile intellektuelle Basis sowie ausreichende soziale und moralische Urteilsfähigkeit, um eine bewusste Wahlentscheidung treffen zu können. Ein großer Teil der Jugendlichen ist zudem politisch interessiert, fühlt sich aber vom politischen Betrieb nicht angesprochen.

Eine generell erhöhte Tendenz zu extremistischen Parteien oder „Spaßparteien“ ist unter Jugendlichen nicht festzustellen.

Eine hohe Wahlbeteiligung kann nicht zur Bedingung für das Wahlrecht gemacht werden. Dessen ungeachtet ist die Wahlbeteiligung von Erstwählern – egal ob mit 16, 18 oder 20 Jahren – zwar tendenziell niedriger als im gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt, jedoch höher als in manch anderen Altersgruppen.

Für eine unbotmäßige Beeinflussung der Wahlentscheidung jüngerer Wähler durch ihre Eltern liegen keine empirischen Anhaltspunkte vor. Junge Menschen lösen sich bereits ab etwa 12 bis 13 Jahren vom Elternhaus, während der Einfluss gleichaltriger Freunde und Bekannter steigt.

Der Fortbestand anderer Altersgrenzen, etwa die Volljährigkeit oder straf-/zivilrechtliche Mündigkeit, steht einer Senkung des Wahlalters nicht entgegen, sofern damit nicht die Vorenthaltung fundamentaler Grundrechte einhergeht. Davon abgesehen ist eine grundsätzliche Diskussion über Altersgrenzen angezeigt.

Kampagne „Wir wollen wählen!“ 

Für die Bundestagswahl 2013 hat die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen eine Kampagne gestartet. Wir verfolgen das Ziel, die Wahlaltersgrenze für nichtig zu erklären, sodass zukünftig auch Kinder und Jugendliche an Wahlen teilnehmen dürfen.

Mehr zu unserer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Mindestwahlalter sowie auf unserer Kampagnenplattform:  „Wir wollen wählen!“

 

Unsere Positionen

Positionspapier: Wahlrecht für Jugendliche und ältere Kinder. Demokratietheoretische, jugendsoziologische und politische Hintergründe einer überfälligen Reform (Stand: September 2017)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weiterlesen

Klageschrift vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Altersgrenze

Antwort des Bundesverfassungsgerichts

ZEIT-Artikel von Wolfgang Gründinger und Felix Finkbeiner: „Auch Jugendliche wollen wählen!“

Sammelband der SRzG: Wahlrecht ohne Altersgrenze?
Demokratietheoretische, verfassungsrechtliche und entwicklungspsychologische Aspekte. Mit Beiträgen von Wissenschaftlern und Politikern.

 

Externe Informationen

The Economist: Why the voting age should be lowered to 16

SPIEGEL Online: Je älter, desto AfD

Deutsches Kinderhilfswerk: Argumentationshilfe Absenkung des Wahlalters

 

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