Gastbeitrag von Laura Schieritz (Junge Liberale) und Tjark Melchert (Grüne)
Im September ist Bundestagswahl. Der Ausgang? Völlig offen. Diese Offenheit ist für unser Land aber kein Grund zur Sorge, sondern eine riesige Chance. Während die Große Koalition in den letzten acht Jahren zum Synonym für Stillstand geworden ist, müssen nun endlich die Weichen gestellt werden, um unser Land zukunftsfähig und damit generationengerecht aufzustellen.
Doch von einer generationengerechten Politik sind wir 2021 in Deutschland meilenweit entfernt. Generationengerechtigkeit bedeutet, dass alle Generationen die gleichen Rechte und Chancen haben sollen. Die Möglichkeiten der jüngeren Generation dürfen nicht durch das Handeln der letzten Generation beschränkt worden sein, etwa durch zerfallende Infrastruktur, überschuldete öffentliche Haushalte, die Zerstörung unseres Planeten oder ein kollabierendes Rentensystem.
Im letzten Jahr dieser Corona Pandemie hat die junge Generation gezeigt, was Solidarität bedeutet. Junge Menschen haben ein Jahr auf teilweise unwiederbringliche Jugenderfahrungen verzichtet, um vor allem die ältere Generation zu schützen. Diesen Spirit von generationenübergreifender Solidarität sollten wir auch mitnehmen in das Post-Corona-Zeitalter. Dann geht es um die zukünftige Rechte und Chancen, die unsere Generation nun einfordern sollte, etwa bei der Bildungs-, Klima- und Rentenpolitik.
Mit dem Gong beginnt der Reformstau
Der Reformstau unseres Landes ist für junge Menschen nirgendwo spürbarer als täglich im eigenen Klassenraum. Der Bildungsförderalismus mit seinem Kooperationsverbot verhindert, dass das Geld dort ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird: Bei der Bildung, der wichtigsten Ressource für die Zukunft unseres Land. Deshalb muss der Bildungsförderalismus grundlegend reformiert werden und eine Qualitätsoffensive für die Bildung in ganz Deutschland gestartet werden.
Ebenfalls eine Generalüberholung braucht das ehemalige Bildungsaufstiegsgesetz Nummer eins – das BAföG. Jedes Jahr sinkt die Zahl der BAföG-Empfänger weiter und Bildungsministerin Karliczek muss jedes Jahr mehre Hundertmillionen Euro nicht verausgabte BAföG-Mittel an ihren Kabinettskollegen Olaf Scholz „zurücküberweisen“. Das liegt nicht daran, dass Studierende heute im Geld schwimmen, sondern an Bürokratie und Bemessungsgrenzen, die viele Studierende durchs Raster fallen lassen. Der Lohn der Eltern oder das Azubigehalt des Bruders dürfen nicht darüber entscheiden, welche Bildungschancen junge Menschen in diesem Land haben. Das BAföG muss daher endlich elternunabhängig werden, um allen Menschen Aufstieg zu ermöglichen.
Klimaschutz ist Zukunftsschutz
Die Umwelt- und Klimapolitik beeinträchtigt, wie kaum ein anderer Bereich, die Chancen zukünftiger Generationen. In der Politik einer Zukunftskoalition muss eine verantwortungsvolle Klima- und Umweltpolitik national und international deshalb hohe Priorität haben. Generationengerechtigkeit bedeutet für uns die Wahrung eines Planeten mit intakter Umwelt, sodass auch künftige Generationen mit denselben Chancen diesen lebenswerten Planeten bewohnen können. Dazu braucht es breites Bewusstsein und konsequentes Handeln: Das Eindämmen des Klimawandels, den Erhalt der Artenvielfalt und die Schonung natürlicher Ressourcen. All das hat Verfassungsrang.
Nein, die Rente ist nicht sicher
Die Rente ist nicht sicher. Wer etwas anderes erzählt, hat entweder die letzten 30 Jahre verpennt oder ist SPD-Finanzminister mit einem Sparbuch aus den 80ern – oder beides. Schon jetzt fließen über 100 Milliarden Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt in die Rente. Man kann es nicht schönreden: Die umlagefinanzierte Rente ist gescheitert, wenn sie einen solch enormen Zuschuss braucht, der inzwischen jeden fünften Euro des Gesamthaushaltes verschlingt. Und die Babyboomer sind aktuell noch mehrheitlich erwerbstätig und nicht Rentenempfänger – besser wird’s in den nächsten Jahren also nicht.
Wer sich heute einer echten Rentenreform verweigert, handelt grob fahrlässig. Immer mehr junge Menschen haben Angst um ihre Zukunft. Denn sie haben schon heute nicht nur längere Erwerbsbiografien und Mini-Renten zu erwarten. Der wachsende Schuldenberg nimmt auch jeden Spielraum für Zukunftsinvestitionen. Europäische Nachbarn haben vorgemacht, wie ein Rentensystem in Wohlstandsnationen mit demografischem Wandel nachhaltig funktionieren kann. Mit einem kapitalgedeckten Rentensystem und einem flexiblen Renteneintritt ist beispielsweise in Schweden vor 20 Jahren die Trendwende gelungen. Das neue System hat sich bewährt. Damit ist Schweden auch ein Vorbild für eine nachhaltige Rentenreform für Deutschland.
Der neuen Generation eine Stimme geben
Für generationengerechte Politik braucht jede Generation auch ein politisches Gewicht. Dieses Gewicht muss schwer genug sein, um einen echten Beitrag zur Abwahl einer Regierung leisten zu können. Doch dieses Gewicht hat die junge Generation zurzeit nicht. Zum einen ist die junge Generation aufgrund des demografischen Wandels den älteren Menschen zahlenmäßig unterlegen. Zum anderen sind sehr viele junge Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen: Fast jeder Fünfte ist zu jung, um in Deutschland wählen zu dürfen. Das Wahlalter muss bundesweit abgesenkt werden, spätestens nach der nächsten Wahl.
Auch wenn der Ausgang dieser Bundestagswahl unklar ist, ist eines schon heute klar: Ein „Weiter so!“ darf es nicht geben. Ganz egal, welche Partei den nächsten Bundeskanzler stellt. Die nächste Bundesregierung muss eine Zukunftskoalition werden, die sich nicht nur von Reförmchen zu Reförmchen hangelt, sondern eine generationengerechte Vision für die Zukunft unseres Landes entwirft und diesen Weg konsequent einschlägt. Eine Zukunftskoalition kann viele Farben haben – nur schwarz-rot ist es nicht. Das wissen wir nach acht Jahren GroKo definitiv.
Hinweis der SRzG: Gastbeiträge geben nicht die Meinung der Organe der Stiftung wieder. Sie werden gelegentlich abgedruckt, weil die SRzG die besten politischen Ansätze ideologiefern zusammenbringen will.