Jedes Jahr pilgern tausende Klimaaktivist*innen, Politiker*innen und Delegationsmitglieder zu den UN-Klimaverhandlungen (COP). Dort diskutieren sie, wie das Pariser Klimaabkommen eingehalten, das Klima besser geschützt und damit die Erderwärmung begrenzt werden kann. Die Klimakonferenz findet jedes Jahr auf einem anderen Kontinent statt. Um sich für mehr Klimaschutz einzusetzen, müssen Teilnehmende der COP also aufgrund weiter Wege oft selbst „klimasündigen“ und ins Flugzeug steigen.
In diesem Jahr richtet das südamerikanische Chile die Klimakonferenz aus. Mehr als 4 Tonnen klimaschädliches CO2 werden bei einem Flug von Europa nach Santiago de Chile pro Person in die Atmosphäre geblasen – so viel, wie man durch 12 Jahre vegetarische Ernährung einsparen kann. Die Teilnehmenden von „Sail to the COP“ (deutsch: „Segeln zur COP“) reisen sehr viel emissionsärmer. Anfang Oktober legen sie mit ihrem Segelboot „Regina Maris“ in den Niederlanden ab und überqueren den Atlantik. In Rio de Janeiro in Brasilien angekommen, steigen sie auf Busse um, die sie zu den Klimaverhandlungen in der chilenischen Hauptstadt bringen werden.
Auch Lukas Kiefer und Clara von Glasow sind Teil von „Sail to the COP“ und reisen an Bord der „Regina Maris“ nach Südamerika. Mit einer Akkreditierung der SRzG nehmen die zwei an der Klimakonferenz teil. Gemeinsam möchten Clara, Lukas und die anderen Teilnehmenden von „Sail to the COP“ ein Zeichen für mehr Nachhaltigkeit im Verkehr setzen. An Bord des Dreimasters soll ein Thinktank entstehen, die Segler*innen beschäftigen sich während der Atlantiküberquerung damit, wie Reise und Transport nachhaltiger gestaltet werden können. „Sail to the COP“ setzt sich unter anderem die Förderung von klimafreundlichen Transportmitteln und eine angemessene Besteuerung von Flugreisen ein. Denn während die Klimakrise ein immer drängenderes Problem wird, wächst die Zahl der Fluggäste (und damit die Menge an freigesetzten Treibhausgasen) weiter.
In einem Interview haben Lukas und Clara uns unter anderem von ihren Erwartungen für die Atlantiküberquerung berichtet und uns verraten, wie sie sich auf ihre lange Reise vorbereiten.
Ihr werdet von Europa nach Südamerika segeln, um an der UN-Klimakonferenz in Chile teilzunehmen. Warum setzt ihr euch nicht einfach ins Flugzeug?
Clara: Eine Flugreise nach Südamerika wäre einfacher, schneller und wahrscheinlich günstiger. Allerdings würde eine Flugreise auch erheblich mehr klimaschädliches CO2 ausstoßen. Es wird prognostiziert, dass sich die Anzahl an Flugpassagieren in den kommenden 20 Jahren verdoppeln wird. Die Emissionen, die dadurch erzeugt werden, würden verhindern, dass wir die Ziele des Pariser Abkommens einhalten können. Auch deshalb segeln wir anstatt zu fliegen: um darauf aufmerksam zu machen, dass Lösungen gefunden werden müssen, um nachhaltiges Reisen fair und attraktiv zu machen. Außerdem wird es auch großen Spaß machen, mit so vielen Menschen 6 Wochen zusammen zu reisen.
Euer langer Segeltörn ist Teil des Projekts „Sail to the COP“. Wer gehört außer euch beiden noch zur „Sail to the COP“-Crew?
Lukas: Wir werden mit insgesamt 36 Personen nach Chile segeln. Neben den vier Organisator*innen werden also noch 32 weitere Menschen an Bord sein. Die Teilnehmer*innen kommen aus verschiedenen Ländern in Europa und kannten sich größtenteils vorher nicht. Das hat sich Mitte August geändert. Wir haben uns an einem Wochenende in Enkhuizen am IJsselmeer getroffen, um gemeinsam an diesem Projekt zu arbeiten. Neben den Teilnehmenden wird es eine Crew von 5 Personen geben, die bereits Segelerfahrung hat und uns sicher nach Südamerika bringen wird!
Das Segelboot legt Anfang Oktober in den Niederlanden ab, die Klimakonferenz findet im Dezember statt. Ihr werdet ziemlich lange unterwegs sein. Wie wird euer Alltag an Bord aussehen?
Lukas: Das ist eine sehr gute Frage! Ich war selber noch nie so lange am Stück auf einem Segelboot und kann daher keine persönliche Antwort geben. Allerdings haben wir Erfahrungsberichte von zwei Menschen gehört, die den Atlantik bereits überquert haben. Wir werden uns in zwei Gruppen aufteilen. Während die eine Gruppe einen Tag segelt, wird die andere Gruppe an unserem inhaltlichen Programm arbeiten. Am nächsten Tag dreht sich dieses Prozedere dann um. An Bord gibt es eine Köchin, die uns mit veganem Essen versorgen wird. Dabei unterstützen wir aber natürlich tatkräftig. Neben den Aktivitäten am Tage bin ich gespannt wie unser Schlafrhythmus aussehen wird! Das Boot bewegt sich natürlich auch in der Nacht fort, da bin ich sehr gespannt, wie wir alle schlafen werden.
Clara: Wie Lukas schon sagt, werden wir inhaltlich im Rahmen unseres Thinktanks Lösungen für eine nachhaltige und faire Zukunft des Reisesektors erarbeiten. Zum Segeln gehört es dann, das Schiff in Stand zu halten, Segel zu setzen, sauber zu machen, in der Kombüse zu helfen und vieles mehr. Es wird aber auch genug Zeit geben, um sich mal auszuruhen und einfach nur aufs Meer zu schauen oder ein bisschen gemeinsam kreativ zu sein (z. B. mit Instrumenten). Mir selbst geht es auch darum, unsere Erfahrungen und das Wissen von den vergangenen COPs weiterzugeben und unsere Mitfahrer*innen, von denen einige COP-Newbies sind, bestmöglich auf die Konferenz vorzubereiten.
Wie würdet ihr die folgenden Sätze vervollständigen?
Wenn ich an die Reise zur COP denke, freue ich mich besonders darauf…
Clara: …,dass wir einfach mal nicht übers Internet erreichbar sind und uns voll auf das konzentrieren können, an dem wir dort arbeiten. Außerdem freue ich mich darauf, unsere Mitfahrer*innen näher kennen zu lernen und mit ihnen eine Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Ziel aufzubauen.
Lukas: …zu realisieren, wie aufregend eine Reise auf die andere Seite der Welt ist. Die Luftfahrt hat es uns ermöglicht, auf die andere Seite der Welt zu reisen ohne zu realisieren, wie weit das weg ist. Nach dieser Reise wird uns die Entfernung nach Südamerika sehr bewusst sein.
Am meisten Respekt habe ich vor …
Clara: …der See. Ich war noch nie auf so hoher See – geschweige denn so lange. Ich glaube, wenn die ersten Winde überstanden sind, werde ich es sogar genießen, aber ich habe durchaus Respekt davor und das ist vielleicht auch ganz gut so.
Lukas: Puuh, ich schließe mich Clara da an! Den Alltag auf einem schwankenden Boot zu organisieren und gleichzeitig auch noch Lösungsvorschläge zu erarbeiten wird eine große Herausforderung!
Wie bereitet ihr euch auf die Reise vor?
Clara: Da wir kaum Internet haben werden, werde ich vor der Reise viele Dokumente, Studien etc. herunterladen, die wir für unseren Thinktank und unsere COP-Vorbereitung gebrauchen können. Körperlich versuche ich mich einfach fit zu halten durch Yoga, Laufen und Klettern, weil das an Bord sicher nicht schaden wird. Ansonsten versuche ich möglichst viel Zeit mit meinen Freund*innen und meiner Familie zu verbringen, die ich dann ja erst einmal länger nicht sehen werde.
Lukas: Gerade organisiere ich den Aufenthalt in Südamerika durch das Abschließen einer Krankenversicherung und den Impfungen, die noch anstehen. Ich glaube, in den zwei Wochen vor der Reise wird es dann eher darum gehen, meine Wohnung in Köln zu verlassen. Und ich werde mich natürlich auch noch viel mit meinen Freund*innen und der Familie treffen. So lange war ich nämlich noch nie am Stück weg.
So ein Segelschiff ist nicht besonders groß und ihr könnt sicherlich nicht viel Gepäck mitnehmen. Was packt ihr auf jeden Fall ein? Was, glaubt ihr, werdet ihr auf See am meisten vermissen?
Clara: Ich habe vor, mir ein paar spannende Podcasts herunterzuladen, aber auch ein gutes Buch mitzunehmen für ein paar ruhige Momente an Bord, in denen ich vielleicht ein bisschen für mich sein möchte. Zudem ist Segelkleidung wichtig, um bei Wind und Wetter geschützt zu sein. Vermissen werde ich vor allem Freund*innen und meine Familie. Da werde ich auf jeden Fall auch viele Fotos mitnehmen.
Lukas: Ich werde mich vor allem auf Bücher konzentrieren. Auf der „Regina Maris“ zu sitzen, zu lesen und immer mal wieder auf das Meer zu schauen, wird eine wunderschöne Erfahrung. Viel mehr brauche ich nicht!
Wie geht es für euch weiter, wenn ihr in Santiago de Chile angekommen seid?
Lukas: Wir werden als erstes an der Jugendklimakonferenz, der COY (Conference of Youth), teilnehmen. Da werden wir uns mit anderen jungen Menschen vernetzen und als „Sail to the COP“ überlegen, wie wir auf der COP vorgehen werden. Auf der Klimakonferenz werden wir dann versuchen, die Verhandler*innen auf unser Projekt und unsere Lösungsvorschläge aufmerksam zu machen – beispielsweise durch direkten Kontakt mit diesen, über Aktionen auf dem Konferenzgelände oder durch das Sprechen auf Events, die stattfinden werden.
Wie kommt ihr nach der Konferenz wieder nach Deutschland zurück?
Clara: Bei den meisten von uns steht die Rückfahrt noch nicht fest. Wir werden definitiv nicht alle gemeinsam zurück fahren, weil viele noch länger dort bleiben werden, um zu arbeiten, zu reisen oder zu studieren. Ich selbst überlege zurzeit entweder gegen Frühjahr mit einem Segelboot wieder zurück zu fahren oder Anfang des Jahres mit einem Frachtschiff. Das Segelboot würde ich natürlich vorziehen. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es vielleicht, zur Abfahrt der „Regina Maris“ im Norden Südamerikas zu sein. Das ist allerdings ein ziemlich weiter Weg und dazwischen liegt das Amazonasgebiet.
Lukas: Bei mir ist das ähnlich wie bei Clara. Ich hoffe, mit der „Regina Maris“ wieder zurück nach Deutschland zu kommen. Wenn das nicht klappt, werde ich wahrscheinlich auch auf ein Frachtschiff umsteigen.
Kann man eure Reise verfolgen und Updates über euer Leben an Bord bekommen?
Clara: Ihr könnt unsere Reise auf allen Social-Media-Kanälen von „Sail to the COP“ (@sailtothecop), also auf Facebook, Instagram und Twitter verfolgen. Außerdem werden wir zwei auch auf den Kanälen der Klimadelegation (@klimadelegation) und der SRzG (@gengerecht) von uns hören lassen.
Wie kann man „Sail to the COP“ unterstützen?
Lukas: Wir haben eine Crowdfunding-Kampagne, die unter www.sailtothecop.com/support zu finden ist. Über jegliche Unterstützung würden wir uns sehr freuen. Außerdem hilft es uns sehr, wenn ihr unseren Social-Media-Kanälen folgt und sie mit euren Freund*innen teilt. So können wir sicher gehen, dass unser Anliegen möglichst viele Menschen erreicht.
Danke, euch beiden. Wir wünschen eine gute Reise!
Vielen Dank an Sail to the COP für die Bereitstellung der Bilder.