Die Würfel sind gefallen: Die Jury hat getagt und fünf wissenschaftliche Arbeiten von Nachwuchswissenschaftler:innen ausgezeichnet.

Der Generationengerechtigkeits-Preis wird gemeinsam von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG) und der in London ansässigen Intergenerational Foundation (IF) ausgelobt und ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert. Das Preisgeld wird bereitgestellt von der Stiftung Apfelbaum, die den Preis initiiert hat. Der diesjährige Preis stand unter dem Thema „Existenzielle und unbekannte Risiken für zukünftige Generationen“. Ob menschengemachter Klimawandel, atomare Rüstung, künstliche Intelligenz – all diese Faktoren stellen ein existenzielles Risiko für die Menschheit dar, denn sie könnten uns als Spezies vernichten oder uns unseres Potenzials zur Weiterentwicklung berauben. Wie mit diesen (und anderen) Risiken in der Gegenwart und für die Zukunft umgegangen wird, ist eine zentrale Frage für die Menschheit. Darüber herrschte Einigkeit unter den vielen Nachwuchswissenschaftler:innen, die sich am Generationengerechtigkeits-Preis 2022 beteiligt hatten. Die eingesandten Forschungsarbeiten und Artikel waren dann von der sechsköpfigen Jury im Doppelblindverfahren bewertet worden. Kurzversionen und „Erklärvideos“ der Sieger-Arbeiten, erstellt von den Autor:innen selbst, sind nun auf den Instagram und Twitter-Seiten der SRzG sowie dem Blog, den Instagram, Twitter und LinkedIn-Seiten der IF zu finden. Schaut vorbei und erfahrt, wie uns existenzielle und unbekannte Risiken jetzt und – wenn wir nicht aktiv werden – in Zukunft bedrohen.

Die erstplatzierte Arbeit Does Longtermism Depend on Questionable Forms of Aggregation?, geschrieben von Marina Moreno, beschäftigt sich mit dem „Longtermismus“ als ethischem Konzept. Der „Longtermismus“ besagt, dass der Fokus unseres Handelns auf der langfristigen Zukunft liegen sollte, da die Zahl der zukünftig lebenden Menschen die der gegenwärtig Lebenden weit übersteigt und sich das moralische Gewicht der zukünftigen Menschen aggregiert. Folglich muss bereits jetzt schon alles auf die Prävention existenzieller Risiken um der Zukunft willen ausgerichtet werden. Moreno führt dagegen die nicht-aggregierende Perspektive an, die den Longtermismus kritisiert und stattdessen einen Fokus auf die Lösung der kurz- bis mittelfristigen Probleme legt. Der Unterschied der Perspektiven, den Moreno in ihrer Arbeit aufzeigt, liegt also in der Gewichtung der Gegenwart und der Zukunft in unserem Handeln.

Diese Gewichtung und daraus entstehende Pflichten sind ebenso zentraler Punkt in der zweitplatzierten Arbeit How to Cope with Nightmares: Menschenrechte und existenzielle Risiken für zukünftige Generationen von Christoph Herrler. Er argumentiert, dass es aus ethischer Sicht notwendig ist, Umstände, die die menschliche Existenz gefährden, zu verhindern. Aus den Menschenrechten lassen sich dabei Pflichten ableiten. So sollen die zukünftigen Generationen mehr Beachtung finden und die derzeitige Diskriminierung von Menschen aufgrund des Zeitpunkts ihrer Geburt beendet werden. Damit greift diese Arbeit die Grundlagen der Generationengerechtigkeit explizit auf.

Die drittplatzierte Arbeit von Johannes Kattan mit dem Titel Extinction risks and resilience: A perspective on current existential risks research with nuclear war as an exemplary threat analysiert dann die Resilienz der Menschheit gegen existenzielle Risiken. Hier werden verschiedene Faktoren genannt: die verschiedenen Lebensräume und Gewohnheiten, technische Abhilfe, und die menschliche Anpassungsfähigkeit. So kommt Kattan zu dem Schluss, dass ein Aussterben der kompletten Menschheit unwahrscheinlich ist, das Eintreten einer Katastrophe aber keineswegs. Damit formuliert der Autor eine optimistischere Aussicht, ohne Entwarnung zu geben, denn dazu muss gegen die Risiken vorgegangen werden. Besonders sei es notwendig, gleichermaßen die gegenwärtigen wie die zukünftigen Generationen zu schützen.

Eine sehr konkrete Gefahr für die Menschheit wird im mit Platz vier ausgezeichneten Artikel beleuchtet. In ihrer Arbeit The post-antibiotic era: an existential threat for humanity zeigen Dominik Koesling und Claudia Bozzaro auf, dass uns der Verlust funktionsfähiger Antibiotika droht. In der Arbeit wird dargelegt, wie die verbreitete Anwendung von Antibiotika über ihren eigentlichen Nutzen hinaus dazu führt, dass Bakterien gegen Antibiotika resistent werden. Dadurch entsteht die Gefahr, Infektionen nicht mehr behandeln zu können. Um zu verhindern, dass sich weitere Resistenzen ausbilden, muss in neue Medikamente und alternative Behandlungsansätze investiert werden, so die Autoren. Nur so könne die Wirksamkeit von Antibiotikatherapien gesichert bleiben.

Um die Wirksamkeit von Lösungsansätzen dreht sich auch die fünftplatzierte Arbeit von Augustine Ugar Akah mit dem Titel Existential and Unknown Risks for Future Generations: Trends and analysis. Der Autor stellt den Einfluss existenzieller und noch unbekannter Risiken für die Entwicklung gegenwärtiger und zukünftiger Generationen dar. Als gemeinsamen Trend der Risiken arbeitet Akah die mangelnde Regulierung des Internets, künstliche Intelligenz und die herrschende gegenwartsbezogene Sicht heraus. Um diese und unbekannte Risiken einzudämmen, schlägt Akah dann Lösungen in Form von Überwachungssystemen, sektorübergreifende Berechnung von Risiken und ethische Trainings für Experten vor.

Mit einem zusätzlichen symbolischen Preis wurde der Essay From a Hegemony of Risk to Pedagogies of Uncertainty: An Anthropological Proposition von Hannah Wadle and Aleksandra Lis-Plesińska ausgezeichnet. Der aus der persönlichen Perspektive verfasste Essay ruft dazu auf, die Ungleichheiten in der Risikoanalyse aufzudecken.

Kurzum: Die mit dem Generationengerechtigkeits-Preis 2022 gekürten Arbeiten zeigen, wie komplex – vor allem menschengemachte – existenzielle Bedrohungen und Risiken sind, wie sie sich darstellen, wie sie vorhergesagt werden, und wie mit ihnen umgegangen werden soll. Die Autorenschaft zeigt: es kann nicht auf morgen verschoben werden, diese Bedrohungen zu bekämpfen. Existenzielle Risiken müssen verhindert werden.

Die vollständigen Arbeiten werden in den nächsten beiden Ausgaben der von der SRzG und der IF gemeinsam herausgegebenen Zeitschrift Intergenerational Justice Review (IGJR) veröffentlicht.