Private Altersvorsorge kontrovers diskutiert: Wolfgang Gründinger, Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, im Bloginterview bei fairr.de

fairr.de: Du bist Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Wie kam es dazu?

Vor etwa zehn Jahren bin ich zufällig im Internet auf die Stiftung gestoßen und fand mich in den Positionen sehr gut wieder. Auch der parteiübergreifende und unabhängige Ansatz hat mir sehr gereizt. Inzwischen bin ich dort als Sprecher engagiert, wobei mein Engagement dort ehrenamtlich ist, genauso wie des gesamten Vorstands.

Was ist die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen? Welche Themenbereiche sind euch wichtig?

Stiftung für die Rechte zukünftiger GenerationenDie Stiftung ist die bekannteste außerparlamentarische Denkfabrik für Generationengerechtigkeit in Deutschland. Wir setzen uns ein für die Rechte und Interessen der jungen Generation und derjenigen, die nach uns kommen – als Anwältin der Zukunft. Neben dem Thema Rente, das für die Generationenbeziehungen hierzulande viel Symbolkraft besitzt, streiten wir für gleiche Rechte junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt, für eine verantwortungsvolle Finanzpolitik und das Wahlrecht für junge Menschen – um nur einige Aspekte zu nennen.

Staatliche Rente und private Altersvorsorge sind wichtige Themen im Bereich Generationengerechtigkeit. Was ist hier eure Meinung?

Es kommt auf die richtige Mischung an. Leider kann niemand, auch nicht die Ökonomen, sagen, wo genau die beste Mischung liegt. Leider haben beide Systeme – die staatliche Rente im Umlageverfahren ebenso wie die private Vorsorge – einen miserablen Ruf. Wer heute sagt: “Die Rente ist sicher”, erntet nur noch Gelächter, obwohl die staatliche Rente die sicherste und berechenbarste Vorsorge ist, die man treffen kann. Allerdings wurde sie in den letzten Jahren demontiert, zugunsten niedriger Beitragssätze. Wenn aber das Rentenniveau immer weiter sinkt, stellt das irgendwann die Legitimität des Systems infrage. Wir sind dafür, dass Alt und Jung bzw. Leistungsempfänger und Beitragszahler sich Lasten aus dem demografischen Wandel gerecht teilen.

Wie steht ihr zur privaten Altersvorsorge?

Häufig gibt es zwei polarisierte Meinungen: Entweder, die private Rente ist kapitalistisches Teufelszeug; oder aber, sie ist die einzige Rettung aufgrund der demografischen Probleme des Umlageverfahrens. Beide Extremansichten sind überzogen. Es kommt darauf an, die richtige Mischung aus dem staatlichen Umlagesystem und der kapitalgedeckten Privatvorsorge zu finden. Das eine beruht auf der Lohnsumme, das andere auf den Renditen des Kapitalmarkts. Die Mischung minimiert die volkswirtschaftlichen Risiken. Dafür braucht es aber auch faire Regeln.

Wie kann man Menschen dazu bewegen mehr für die Altersvorsorge zu tun?

Es muss mehr Klarheit, Transparenz und Übersichtlichkeit auf dem Markt hergestellt werden. Das Bild des vollinformierten Verbrauchers, der sich souverän das beste Angebot heraussuchen kann, ist doch ein Trugbild. Bei den tausend Klauseln im Kleingedruckten und den versteckten Kosten blickt keiner mehr durch. Jeder Berater erzählt etwas anderes. Daher brauchen wir faire und transparente Regeln, die staatlich kontrolliert werden.

Sind Finanzbranche und Politik in den letzten Jahren mit diesem Thema verantwortungsvoll umgegangen?

Die Politik ist 2001 mit zu viel Naivität an das Thema Riester-Rente herangegangen und es versäumt, für klare Rahmenbedingungen zu sorgen. In der Finanzbranche hat man sich die Augen gerieben und angesichts eines damals gesättigten Versicherungsmarktes einen neuen Topf an Profiten vor Augen gehabt, was auch so manche schwarze und halbschwarze Schafe auf den Plan gerufen hat, die auch ihr Stück am staatlich subventionierten Riesterkuchen abhaben wollten. Dem Thema Transparenz hat sich die Wirtschaft lange verweigert und ist Lösungen schuldig geblieben, mit dem Argument, die Berechnungsmethoden ließen einer Vergleichbarkeit nicht zu. Zudem hat die Wirtschaft genau diejenige Bevölkerungsgruppe vernachlässigt, die am stärksten unter dem fallenden staatlichen Rentenniveau zu leiden hat – die Geringverdiener, weil bei denen ja auch keine Gewinne zu machen sind.

Was muss sich ändern?

Seit kurzem wachen Politik und Wirtschaft auf und holen Versäumtes nach. Abgesehen von einer Reform der Riesterrente muss auch das staatliche Umlageverfahren modernisiert werden. Dazu gehört eine Übertragung der Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Beamtenpensionen sowie die Einbeziehung der Politiker in die gesetzliche Rente – allein als vertrauensbildende Maßnahmen sind diese Schritte unverzichtbar. Die Angleichung der Pensionen ist erforderlich, um die verdeckte Staatsverschuldung durch sich akkumulierende Pensionszusagen einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Sparst Du für das Alter?

Ja, mit einem Fondssparvertrag. Zu wenig und vermutlich falsch. Selbst für jemanden, der sich mit Rentenpolitik beschäftigt, ist der Markt nicht durchschaubar.

Manche Experten raten Geringverdienern von Altersvorsorge, insbesondere Riester, ab, weil Rentenzahlungen aus diesen Verträgen auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden. Das Motto scheint zu sein: “Lieber gleich auf die Grundsicherung hoffen.” Was hältst Du davon?

Damit liegen sie nicht ganz falsch. Es mehren sich Stimmen, die Freibeträge für Privatsparen fordern, weil sonst diejenigen bestraft werden, die sich ein Leben lang eisern eine kleine Privatrente ansparen, die aber dann an die Grundsicherung angerechnet wird – dann hätten sie das Sparen auch gleich sein lassen können. Die Debatte um die Solidarrente, wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt wurde, weist daher in die richtige Richtung.

Das hört sich jetzt so an, als würdest Du eine solche Anspruchshaltung gegenüber dem Staat gutheißen. Wenn nun alle einfach auf die Grundsicherung hoffen bzw. diese erwarten würden, wäre der Staat schnell pleite. Gehört zur Solidargemeinschaft nicht auch, dass jeder versucht für sich selbst zu sorgen und nur im Notfall die Gemeinschaft über den Staat hilft?”

Das ist keine Anspruchshaltung, sondern Fairness. Aufgrund des sinkenden Rentenniveaus und der Ausbreitung von Niedriglohnsektor und Teilzeit haben viele Arbeitnehmer derzeit keine Aussicht auf eine Rente, die wesentlich über der Grundsicherung liegt. Sie haben daher auch keine Anreize, privat zu sparen. Die geplante Solidarrente soll eine Mindestrente sicherstellen, unter der Voraussetzung, dass zusätzlich zur Beitragszahlung in die gesetzliche Rente vorgesorgt wurde, entweder betrieblich oder privat. In einer solidarischen Gemeinschaft, in der nicht nur jeder sich selbst der Nächste ist, gehört das zu einer gerechten Alterssicherung dazu.