Beitrag von Milena Weber, Botschafterin bei der SRzG.

Die letzte Klimakonferenz, COP27, war ein historischer Moment in der Beziehung zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen. Zum ersten Mal seit 30 Jahren Klimaverhandlungen konnten sich alle Parteien darauf einigen, einen Loss and Damage Fund ins Leben zu rufen. Durch diesen Fonds sollen Finanzmittel von Industrienationen zur Rettung und für den Wiederaufbau in ärmeren Ländern bereitgestellt werden, die von klimabedingten Katastrophen betroffen sind (Harvey, 2022).
Noch wenige Stunden vor Ende der Konferenz standen die Verhandlungen kurz vor dem Scheitern. Ölproduzierende Länder und Nationen mit besonders hohen Emissionen – darunter auch die EU – versuchten sich bis zum Schluss ihren Verpflichtungen zu entziehen und die Frustration der Entwicklungsländer erreichte neue Höhen (Harvey, 2022).
In den letzten zwei Jahren war bereits ein Anstieg der Wut im globalen Süden auf Industrienationen zu beobachten. Viel Empörung entstand durch die international ungleiche Verteilung der COVID-19 Impfstoffe und wegen der Wirtschaftssubventionen – wohingegen Schuldenerlasse nicht diskutiert wurden. Hinzu kamen tragische Naturkatastrophen, etwa die Fluten in Pakistan, die mehr als 10% des Landes bedeckten und 33 Millionen Menschen trafen. Immer wieder zeigten Repräsentant:innen von Entwicklungsländern während den Plenarsitzungen der COP27 auf Pakistan und sagten: “Das ist unsere Zukunft”, drehten sich dann zu den reichsten Ländern der Welt und warfen ihnen vor, sie im Stich zu lassen und ihnen nicht zuzuhören. Doch nach intensiven Verhandlungen Freitag- und Samstagnacht, fast ohne Pause, gaben die Industrienationen schließlich nach: Es wird einen Loss and Damage Fund geben (Harvey, 2022).

Erwartungen und Hoffnungen für die COP28 in Bezug auf die Klimaschutzfinanzierung
Ein großer Schritt, aber trotzdem sind noch viele Fragen ungeklärt: Wer wird wie viel in den Fonds bezahlen? Wer wird eine Förderung erhalten? Wie werden diese Entscheidungen getroffen?
Nun wenden viele einen hoffnungsvollen Blick auf die nächste UN-Klimakonferenz: COP28 in Dubai.  Stattfinden soll diese im Dezember diesen Jahres, und es stehen viele wichtige Punkte auf der Agenda. Unter anderem wurde während der COP27 ein Ausschuss für die Umsetzung des Loss and Damage Fund eingerichtet, bestehend aus Repräsentant:innen von Entwicklungs- und Industrienationen. Dieser wird sich Ende März zum ersten Mal treffen und bei der COP28 Empfehlungen zur Prüfung und Umsetzung abgeben.
Um eine Chance im Kampf gegen den Klimawandel zu haben, müssen alle Länder zusammenarbeiten und bereit sein, Kompromisse einzugehen. Doch dies ist nicht möglich, wenn Misstrauen und Schuldzuweisungen weiterhin Bestandteile der Klimakonferenzen bleiben. Der Loss and Damage Fund ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Vertrauen und mehr Klimaschutz, trotzdem ist noch ein weiter Weg zu gehen. Reichere Länder müssen zum Beispiel endlich ihr 2009 festgelegtes Ziel erreichen, 100 Milliarden Dollar für Anpassungsmaßnahmen bis 2020 zu mobilisieren (Chakamba, 2023).
Der Welt der Klimaschutzfinanzierung steht eine dramatische Wandlung bevor. 2021 gab die G-20 eine unabhängige Überprüfung in Auftrag, um Empfehlungen zu erhalten, wie Kreditgeber:innen mehr Geld an Länder mit niedrigem Einkommen verleihen können, die besonders unter der Pandemie, Inflation, und Schuldenkrisen leiden. In diesem Kontext sind multilaterale Entwicklungsbanken – wie die Weltbank – von großer Bedeutung, da sie über die vertrauenswürdigsten Kreditratings verfügen (sogenannte AAA-Ratings) und so auf den Kapitalmärkten Kredite zu sehr niedrigen Zinssätzen aufnehmen können, die dann an Länder mit niedrigem Einkommen weitergegeben werden, die selbst oft gar keine Kredite aufnehmen können (Gold, 2022).
Die Überprüfung der G-20 ergab, dass diese Banken durch eine Lockerung ihrer übermäßig konservativen Risikotoleranzen hunderte von Milliarden Dollar mehr verleihen könnten, ohne ihr AAA-Rating zu verlieren (Gold, 2022).
Obwohl diese Publikation äußerst kontrovers ist und anfangs von Russland, der Weltbank selbst und einigen anderen Banken verschoben oder sogar gestoppt werden wollte, haben nun der Präsident der Weltbank David Malpass (Chakamba, 2023), der französische Präsident Emmanuel Macron, der Präsident des nächsten COP28 sowie viele andere Entscheidungsträger:innen ihre Unterstützung für solch eine Reform des internationalen Finanzsystems ausgesprochen (Di Paola und Ratcliffe, 2023).
Aufgrund der universellen Mitgliedschaft aller Länder und ihrer Expertise im Bereich Investitionen und Regierungsberatung würde sich die Weltbank hervorragend eignen als rechte Hand von UNFCCC und als direkter Umsetzer des Pariser Abkommens (Arezki und Le Houérou, 2022). Gespannt richten sich nun alle Blicke auf die nächste Klimakonferenz in Dubai, wo sich herausstellen wird, ob dieses Momentum genutzt und die nötigen Reformen umgesetzt werden.

Der allererste Global Stocktake
Neben diesen Entwicklungen gibt es noch andere Gründe, warum die COP28 von einigen als die wichtigste seit Paris (Sankar, 2022) beschrieben wird . In das Pariser Abkommen wurde ein Mechanismus eingebaut, mit dem alle fünf Jahre die Länder der COP für eine Bestandsaufnahme zum Fortschritt der Umsetzung des Abkommens zusammenkommen und neue Ziele definieren sollen: der sogenannte “Global Stocktake”. Dieser Prozess soll nun zum ersten Mal auf der COP28 abgeschlossen werden (Chakamba, 2023). Es wird davon ausgegangen, dass die Ergebnisse, die in Dubai präsentiert und diskutiert werden, deutlich zeigen werden, dass das 1,5°C-Ziel mit den bisherigen Maßnahmen weit verfehlt wird (Harvey, 2023). Deswegen müssen neue Ziele definiert und anschließend umgesetzt werden.

Welche Rolle werden die Vereinigten Arabischen Emirate bei der nächsten COP spielen?
Eine große Quelle für Sorgen, aber auch Hoffnungen mit Hinblick auf die COP28 ist die Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Es ist kein Geheimnis, dass es wenige Länder gibt, deren Wirtschaft so abhängig von Öl und Gas ist, wie die der VAE. Mindestens 30% des BIP stammt aus Exporten von Öl und Gas, die restlichen 70% stammen größtenteils aus Industrien, die stark mit dem Verbrauch fossiler Brennstoffe verbunden sind, wie Fluggesellschaften, Tourismus oder Baugewerbe (Michaelson und Greenfield, 2022).
Die letzten UN-Klimakonferenzen haben gezeigt, welche Macht die Öllobby immer noch am Gesprächstisch hat. Alok Sharma, der Vorsitzende der COP26-Gespräche in Glasgow, sagte nach Ende der letzten Klimakonferenz: „Diejenigen von uns, die nach Ägypten gekommen sind, um das 1,5-Grad-Ziel am Leben zu erhalten […] mussten unerbittlich kämpfen, um die Linie zu halten“ (Harvey, 2022). Zur COP27 schickten die VAE allein 1.000 Delegierte, die mit Abstand größte Länderdelegation – doppelt so viele wie die nächstgrößte, Brasilien. Von diesen 1.000 standen 70 in enger Verbindung mit Öl- und Gasunternehmen, insbesondere Sultan Ahmed Al Jaber, CEO der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und Präsident der nächsten COP (Michaelson und Greenfield, 2022).
Viele prominente Klimaaktivist*innen und Politiker*innen haben Al Jaber zum Rücktritt von seiner Stelle in der staatlichen Ölfirma aufgefordert. Dieser betont jedoch das Potential seiner Doppelfunktion: “Es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, dass die Energiewirtschaft Hand in Hand und mit allen Betroffenen an den Lösungen arbeitet, die die Welt braucht. Das ist nur logisch und macht Sinn” (Harvey, 2023). Und damit hat er nicht Unrecht. Als ölexportierende Nation wissen die VAE, welche Maßnahmen nötig sind, um CO2-Neutralität zu erreichen. Und auf dem Papier sind die VAE in vielen Aspekten der Energiewende den meisten Ländern weit voraus. Bis heute haben sie 50 Milliarden Dollar in weltweiten Projekten für erneuerbare Energien investiert, und diese Zahl soll sich bis 2030 verdoppeln. Drei der größten Solaranlagen der Welt befinden sind in den Emiraten (Sankar, 2022).
Außerdem ist Al Jaber ist nicht nur CEO von ADNOC, sondern auch ein Regierungsminister einer der reichsten Länder der Welt und Leiter von Masdar, dem emiratischen Unternehmen für erneuerbare Energien und der weltweit größte Investor in die Energiewende. In seinen öffentlichen Auftritten beschreibt Al Jaber den Moment, wenn wir das allerletzte Fass Öl verladen werden, als ein Anlass zur Feier. Er zeigt sich optimistisch und ambitioniert: “Die VAE gehen diese Aufgabe mit großer Dringlichkeit an. Wir sind entschlossen, die COP28 zu einer COP für alle zu machen, zu einer COP des Handelns. Eine COP, auf der sich der globale Norden und der globale Süden wirklich gegenseitig zuhören. Eine COP, auf der wir von den Zielen zur Umsetzung übergehen, und zwar in den Bereichen Mitigation, Adaptation sowie Loss and Damage. Und eine COP, auf der wir eine neue Vereinbarung zur Klimafinanzierung treffen” (Scott, 2023).
Vielversprechende Worte, doch steckt auch wirklich etwas dahinter? Das wird sich wohl erst im Dezember in Dubai zeigen. Viele zeigen sich skeptisch. Unter ihnen ist Matt Hedges, VAE-Experte und Autor eines Buches über die Regierungsführung am Golf, der während seiner Doktorarbeit sechs Monate lang in Abu Dhabi inhaftiert und gefoltert wurde. Er beteuert, die Emiraten nützten ihre Rolle als Gastgeber der UN-Klimakonferenz nur, um ihr internationales Ansehen zu manipulieren und durch Lobbyarbeit und medienwirksame Kommunikation von tatsächlichen Handlungen und Ergebnissen abzulenken (Harvey und Michaelson, 2022; Michaelson und Greenfield, 2022). Tatsächlich plant ADNOC eine Ausweitung ihrer Öl- und Gasproduktion, was Marta Schaaf von Amnesty International beschreibt als “völlig unvereinbar mit seiner Rolle als designierter Präsident von COP28. Er kann kein ehrlicher Vermittler für Klimagespräche sein, wenn das Unternehmen, das er leitet, plant, noch mehr Klimaschäden zu verursachen” (Harvey, 2023).
Al Jaber bezeichnet sich und die VAE als einen “Konsens-Finder” (Michaelson und Greenfield, 2022). Doch um wessen Konsens geht es da? Werden manche Meinungen stärker gewichtet? Welche Meinungen werden überhaupt gehört?
Wir als Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen blicken mit vorsichtiger Hoffnung auf die nächsten Monate bis zur COP28 in Dubai und sind besonders gespannt auf die Rolle der Öllobby, die Reformen der Weltbank und die Reaktionen aus dem ersten Global Stocktake.

Quellen
Arezki, R. und Le Houérou, P. (2022) ‘Opinion: The World Bank should become the “IMF of climate”’, Devex, 21. Juli. [online] https://www.devex.com/news/opinion-the-world-bank-should-become-the-imf-of-climate-103644 [abgerufen am 16.03.2023].

Chakamba, R. (2023) ‘What will be on the COP 28 agenda? Here are 7 issues to watch’, Devex, 4. Januar. [online] https://www.devex.com/news/what-will-be-on-the-cop-28-agenda-here-are-7-issues-to-watch-104651 [abgerufen am 14.03.2023].

Gold, S. (2022) ‘Exclusive: G-20 report says MDBs are holding back hundreds of billions’, Devex, 20. Juli. [online] https://www.devex.com/news/exclusive-g-20-report-says-mdbs-are-holding-back-hundreds-of-billions-103673 [abgerufen am 16.03.2023].

Harvey, F. (2022) ‘A deal on loss and damage, but a blow to 1.5C – what will be Cop27’s legacy?’, The Guardian, 20. November. [online] https://www.theguardian.com/environment/2022/nov/20/deal-on-loss-and-damage-fund-at-cop27-marks-climbdown-by-rich-countries [abgerufen am 19.03.2023].

Harvey, F. (2023) ‘UAE “running towards” renewable future, says oil boss Cop28 president’, The Guardian, 14. Februar. [online] https://www.theguardian.com/world/2023/feb/14/uae-running-towards-renewable-future-says-oil-boss-cop28-president [abgerufen am 17.03.2023].

Harvey, F. und Michaelson, R. (2022) ‘Fears over oil producers’ influence with UAE as next host of Cop climate talks’, The Guardian, 22. November. [online] https://www.theguardian.com/world/2022/nov/22/fears-over-oil-producers-influence-with-uae-as-next-host-of-cop-climate-talks [abgerufen am 19.03.2023].

Michaelson, R. und Greenfield, P. (2022) ‘UAE using role as Cop28 host to lobby on its climate reputation’, The Guardian, 16. November. [online] https://www.theguardian.com/environment/2022/nov/16/uae-cop28-host-lobby-climate-reputation-cop27 [abgerufen am 17.03.2023].

Di Paola, A. und Ratcliffe, V. (2023) ‘Development Banks Need Climate Finance Makeover, Says COP Chief’, Bloomberg, 14. Februar. [online] https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-02-14/cop28-chief-urges-development-bank-reform-for-climate-finance [abgerufen am 17.03.2023].

Sankar, A. (2022) ‘Cop28 to be most significant climate event since Paris, says director general’, The National, 7. Oktober. [online] https://www.thenationalnews.com/uae/environment/2022/10/07/cop28-to-be-most-significant-climate-event-since-paris-says-director-general/ [abgerufen am 14.03.2023].

Scott, M. (2023) ‘COP28 Chief Outlines Climate Challenge As Countdown To “Global Stocktake” Starts’, Forbes, 16. Januar. [online] https://www.forbes.com/sites/mikescott/2023/01/16/cop28-chief-highlights-scale-of-task-ahead-as-countdown-to-global-stocktake-starts/ [abgerufen am 19.03.2023].

 

Links:
UN Climate Change (2023): Pathway to COP28 UAE. [online] https://www.cop28.com/en/ [abgerufen am 19.03.2023].

UN Climate Change (2023) Transitional Committee. [online] https://unfccc.int/topics/adaptation-and-resilience/groups-committees/transitional-committee [abgerufen am 16.03.2023].