von Charlotte Unruh, SRzG-Botschafterin
Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber hat kürzlich in einem Interview einen ‘Klima-Corona-Vertrag’ zwischen den Generationen vorgeschlagen. Die Solidarität mit unseren älteren Mitbürgern, die die Corona-Pandemie uns Jungen abverlangt, könnten die Älteren ja in Bezug auf die Gefahren der globalen Erwärmung erwidern – so der Gedanke.
Ein gut gemeinter Vorschlag, und grundsätzlich habe ich gegen Solidarität und füreinander einstehen natürlich nichts. Ich befürchte aber, dass die Rede von einem „Vertrag“ zwischen den Generationen einen Konflikt impliziert, den ich so nicht sehe. Passender scheint mir ein Aufruf, sich gemeinsam globalen Bedrohungen entgegenzustellen, ganz gleich, ob diese in erster Linie die Interessen der jüngeren, älteren, oder zukünftigen Generationen betreffen.
Schellnhubers Vorschlag liegt der Gedanke zugrunde, dass das Coronavirus besonders für ältere Generationen eine direkte gesundheitliche Bedrohung darstellt, während die Folgen des Klimawandels vor allem die jungen Generationen zu spüren bekommen werden. Das ist so nicht falsch, aber scheint mir trotzdem ein wenig irreführend zu sein.
Zum Einen gibt es natürlich auch unter jungen Menschen einige, die vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus besonders Angst haben: Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder Schwangere etwa; oder solche, die in ihren Berufen einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind.
Zum Anderen sind junge Menschen vermehrt von den Maßnahmen gegen Corona betroffen. Junge Berufstätige, Selbstständige, Familien mit Kindern und junge Menschen in Ausbildung erleben gerade einen Ausnahmezustand, der für viele auch langfristige Folgen, gerade in beruflicher und finanzieller Hinsicht, mit sich bringen wird.
Ich lebe derzeit als Deutsche in Großbritannien, wo ich kurz vor dem Abschluss meiner Promotion in Philosophie stehe. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um einen Abschluss zu machen und berufliche Pläne voranzutreiben: Einige Unternehmen und Universitäten haben einen Einstellungsstopp verkündet. Online machen Memes die Runde, in denen sich meine Kollegen mit Galgenhumor den schlechten Neuigkeiten vom englischsprachigen akademischen Arbeitsmarkt widmen, und spekulieren, wie sehr der ohnehin schon prekäre und unsichere Arbeitsmarkt durch den Corona-bedingten Wegfall von Studiengebühren noch weiter einbrechen wird. Ich lebe mit vier Mitbewohner*innen in einem Reihenhaus mit kleinem Garten, und habe damit richtig Glück. Einige meiner Bekannten leben in kleinen Zimmern in großen WGs, die nicht viel Platz lassen für Privatsphäre, und wo geteilte Bäder und Küchen eine Distanzierung von Mitbewohnern*innen unmöglich machen.
Wie der Klimawandel sind auch beim Coronavirus die Bedrohungen nicht nur ungleich zwischen den Generationen verteilt. Wichtiger ist globale Ungleichheit: Ärmere Weltregionen und Bevölkerungsgruppen werden ungleich stärker vom Klimawandel betroffen sein als reiche. Und auch im Kampf gegen Pandemien wie den Coronavirus sind diese schlechter ausgerüstet.
Statt über Generationen zu generalisieren und damit Trennlinien zu zeichnen, die in der Realität vage sind, und damit vielleicht neue Konflikte zu schüren, sollten wir betonen, dass es eine moralische Pflicht von uns allen ist, Bedrohungen abzuwenden – nicht nur von uns selbst, von unseren Großeltern und Enkelkindern, sondern auch von denjenigen, die uns nicht unmittelbar nahe stehen.
Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein und keinen Vertrag – wirklich oder metaphorisch – benötigen, dass man eine Pandemie gemeinsam bekämpft. Das Gleiche gilt für den Klimawandel. Globale Bedrohungen gemeinsam zu bekämpfen sollte das Motto sein, hinter dem sich Jung und Alt versammeln können, egal um welche Bedrohung es sich handelt.