von Sophie Neuendorf, SRzG-Botschafterin
Mein Name ist Sophie Neuendorf und bin seit 2018 Gesundheits-, und Krankenpflegeschülerin an der Universitätsklinik Heidelberg. In der heutigen Zeit habe ich mehr als Verständnis, wenn jemand sagt, er möchte als junger Mensch nicht in die Pflege gehen und dort die nächsten Jahre verbringen. Mit achtzehn Jahren entschied ich mich trotzdem für die Pflege und habe durch mein FSJ an der Universitätsmedizin Mannheim die Kardiologie lieben gelernt und kann es stückchenweise während der Ausbildung mit weiteren Kursteilnehmer*innen, die dieses Fachgebiet mögen, vertiefen.
Ein Virus breitet sich aus
Als der Coronavirus erstmals am 07.01.2020 in China ausbrach, und sich bei bestätigten Patient*innen durch Pneumonie ausdrückte und übertragen wurde, ging man davon aus, dass sich die Situation alleine auf China beschränken würde. Doch jetzt haben wir Anfang April 2020: Aktuell sind weltweit vom COVID-19 1.435.000 Menschen betroffen, davon sind bereits 82.220 Menschen verstorben (Johns Hopkins Universität, Stand: 08.04.2020).
Allein in Deutschland gibt es 107.700 offiziell bestätigte Fälle, davon sind bereits 2.000 Menschen dem COVID-19 erlegen (Johns Hopkins Universität, Stand: 08.04.2020).
Es sterben nicht nur ältere Menschen an dem neuartigen Virus, sondern auch die junge Generation ist davon betroffen. In Frankreich verstarb eine Patientin im Alter von 16 Jahren. Eine US-Amerikanische Studie zeigt, dass junge Menschen im Alter von 20-44 Jahren ebenfalls an COVID-19 erkranken können (CDC 2020).
Ein Gesundheitssystem und seine Mitarbeiter*innen am Limit
Das Gesundheitssystem in der Bundesrepublik wurde in den letzten Jahrzehnten kaputt gespart. Es wurde Personal abgebaut, sei es an Ärzt*innen, die Nachts alleine arbeiten müssen und für die ganze Klinik zuständig sind oder am Pflegepersonal, das tagsüber höchstens zu Dritt arbeitet, wenn das mal der Fall sein sollte. Es fehlt nicht nur an Personal, sondern auch an Ressourcen und Leitfäden, auf die man zurückgreifen kann, wenn eine Pandemie, wie COVID-19, ausbricht. Personal im Chest-Pain-Unit (zu deutsch: Brustschmerz-Einheit) wissen, was sie tun müssen, wenn ein*e Patient*in mit einem Myokardinfarkt eintrifft, während Gesundheits-, und Krankenpfleger das Fachwissen besitzen, wie die Pflege bei solcher einer akuten Erkrankung aussieht und das Dank bestimmter Leitfäden.
Nach dem Covid-19-Ausbruch vergab die Bundesregierung einen Auftrag an den Medizintechnik-Konzern „Dräger“, die binnen kürzester Zeit 10.000 Beatmungsgeräte produzieren soll – ein Vielfaches der üblichen Jahresproduktion und eine Zahl, die zu Bedenken gibt, wenn aus eher individueller Fertigung nun eine Massenproduktion werden soll. Es stellt sich auch die heikle Frage, wer zuerst beliefert wird.
Am 04.02.2020 beschloss das Bundesministerium für Gesundheit und dessen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass die Personaluntergrenze (maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft) bis auf Weiteres aufgehoben werden soll. Die Pflegekräfte ist seit Jahrzehnten überlastet und kratzen am Limit und jetzt, wo die Personaluntergrenze auf unbestimmte Zeit aufgehoben wurde, müssen Pflegende noch mehr Überstunden leisten, um gegen das Virus zu kämpfen.
In den Kliniken werden die Ressourcen knapper. Isolationskittel, Masken, Desinfektionsmittel und Wäsche werden von Angehörigen oder sonstigen dritten Personen geklaut. Lieferanten können uns nicht mehr ausreichend mit Medikamenten oder Utensilien wie Desinfektionsmittel versorgen, da diese größtenteils aus China exportiert werden. Politik und Gesellschaft merken langsam, dass Berufe des Gesundheitssystems wichtiger sind denn je, doch das nur nach Ausbruch der Corona Pandemie. Speziell die FFP-Masken, die gegen Viren schützen, sind nur geringfügig in einigen Kliniken verfügbar und es können kaum noch welche nachgeliefert werden. Es müssen Sparmaßnahmen getroffen werden, damit die verfügbaren Hilfsmittel nicht direkt aufgebraucht werden. In meinem jetzigen praktischen Einsatz müssen wir alle (Pflege, Therapeuten, Ärzte, Reinigungskräfte etc.) von Schichtbeginn bis Schichtende den Mund-Nasen-Schutz (MNS) tragen, um uns – das Personal – aber auch die Patient*innen zu schützen.
Wir sind „systemrelevant“, doch die Einsicht kommt sichtlich spät. Ärzt*innen und Pflegende riskieren ihre eigene Gesundheit, um Patient*innenleben zu retten. Wir müssen trotz positiv bestätigter Corona-Testung zur nächsten Schicht antreten. Die Angst begleitet uns, dass wir die nächsten sein könnten, die das Virus bekommen. Jederzeit könnte die Klinik unter Quarantäne gestellt werden, was zur Folge hat, dass jegliches Personal und Patient*innen die Klinik weder verlassen, noch betreten dürfen.
Wenn wir nach unserer Schicht einkaufen gehen möchten, sind wir froh, überhaupt die notwendigen Nahrungsmittel zu bekommen, nachdem unseren Mitmenschen viel zu sehr an sich selber denken und Hamsterkäufe tätigen. Auch wir haben eine Familie, die wir so gut es geht schützen möchten. Doch wie, wenn unsere Ressourcen fast aufgebraucht und die wichtigen Sachen nicht lieferbar sind?
Wie es mir und anderen in Gesundheitsberufen gerade geht
Ich gehe nur für das Nötigste aus dem Haus, z.B. wenn ich Einkaufen gehe oder wenn ich zur Arbeit fahren muss. Wenn ich eine Runde Spazieren gehen möchte, um kurz frische Luft zu schnappen, trage ich trotz alledem einen Mund-Nasen-Schutz, so wie bei all meinen Aktivitäten außerhalb meiner Wohnung, um meine Mitmenschen zu schützen. Ich stehe mit meinen Kolleg*innen direkt an der Front – wenn eine*r krank wird, werden wir es alle sein. Aktuell sind fünf Ärzt*innen an meiner Uniklinik an COVID-19 erkrankt, dabei haben wir eine steigende Anzahl an Patient*innen, die daran erkranken.
Ich wünsche mir, dass sich die Bevölkerung weiterhin an die Ausgangsbeschränkungen hält, damit sich die Erkrankung nicht schneller ausbreitet, als sie aktuell tut. Wir tun alles, um Euch zu schützen, doch unsere Kapazitäten sind beschränkt. Ohne weitere Maßnahmen kollabieren wir, während wir uns mit den Maßnahmen auf die bereits Erkrankten konzentrieren können. Eine weitere Verlangsamung ist hierbei wichtig!!
Also bitte:
WIR BLEIBEN FÜR EUCH DA; BLEIBT BITTE FÜR UNS ZU HAUSE!
Weitere Informationen zu generationengerechter Gesundheitspolitik und zu der Situation von jungen Menschen in Gesundheitsberufen in unserem Positionspapier