von Lena Schilling, Zeppelin Universität, Praktikantin

Die Diskussion über die Senkung des Wahlalters ist nicht neu und dass sie knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl 2021 wieder aufkommt, auch nicht überraschend. Die Debatte ist es in jedem Fall wert geführt zu werden – wenn man denn wenigstens einmal zu einem Ergebnis käme. Seit Jahren werden von allen Seiten dieselben Argumente dafür und dagegen vorgebracht, vereinzelte Politiker*innen greifen das Thema immer mal wieder auf.

 

Die aktuelle Debatte

Initiatorin der Diskussion war dieses Mal Bundesfamilien- und Jugendministerin Franziska Giffey aus der SPD, die Ende Juli 2020 eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre auf Bundesebene befürwortete. Zustimmung erhielt sie dabei sowohl seitens der eigenen Parteispitze von Saskia Esken sowie durch Robert Habeck von den Grünen. Auch die FDP hat sich in der Vergangenheit bereits für eine Wahl ab 16 ausgesprochen. Die neue Studie der FU Berlin und der Otto Brenner Stiftung, „Wählen mit 16?“, liefert neuen Diskussionsstoff. Darin wurde anhand der Landtagswahlen 2019 in Sachsen (Wahlalter 18) und Brandenburg (Wahlalter 16) ganz allgemein das Thema Wählen mit 16 untersucht: „Wie sehen die politischen Grundeinstellungen junger Menschen aus? In welche Kontexte und Informationsumfelder sind sie gebettet? Und was folgt daraus für ihre Wahlfreudigkeit?“ Ohne, dass die Autor*innen eine eindeutige Handlungsempfehlung abgeben, kommen sie doch zu dem Schluss, dass sich Jugendliche hinsichtlich ihrer politischen Grundeinstellungen nicht maßgeblich von Erwachsenen unterscheiden.

 

Sollte man Jugendliche auf die Volljährigkeit vertrösten?

Gegen eine Senkung des Wahlalters sind in der Regel vor allem die konservativeren Parteien – so auch dieses Mal. Eine Kopplung an die Volljährigkeit habe sich bewährt, so CSU-Generalsekretär Markus Blume gegenüber der dpa. Es gebe genügend andere Möglichkeiten für junge Leute, sich politisch zu engagieren.
In einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft muss gewährleistet sein, dass alle Bevölkerungsgruppen ihre Interessen vertreten können. Dabei auf andere Möglichkeiten der politischen Partizipation als der des Wahlrechts zu verweisen, ist unzureichend. Gerade heutzutage, wo die Folgen und Unvermeidbarkeit des Klimawandels immer eindeutiger und die Aussichten für Millennials, Generation X, Y und Z auf ausreichende Renten immer schlechter werden – um nur zwei Beispiele zu nennen – zeigt sich, dass politische Entscheidungen mit Hinblick auf ihre langfristigen Wirkungen getroffen werden müssen. Den gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen, ist schön und gut, aber Jugendliche sollten nicht darauf angewiesen sein, dass andere Altersgruppen ihre Interessen bei der Wahl „mitberücksichtigen“.

 

Bürger*in sein kommt mit Pflichten, und damit auch mit (Wahl-)Rechten

Unabhängig davon, dass Jugendliche durchaus politisch interessiert sind, wie die Shell Jugendstudien der vergangenen Jahre zeigen, sollte das Wollen hinsichtlich der Wahlteilnahme gar nicht die Frage sein. Politische Partizipation ist ein Recht aller Bürger*innen dieses Landes – für eine Einschränkung dieses Rechts aufgrund von Minderjährigkeit gibt es keinerlei Grundlage. Dass Jugendliche sehr wohl reif genug sind, um im Rahmen allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahlen eine Entscheidung zu treffen, beweist auch die bereits erwähnte Studie „Wählen mit 16?“. Das oft vorgebrachte Argument, dass ein junges Alter bedeute, sich nicht genügend mit Politik auszukennen oder das Wahlrecht nicht ernst genug zu nehmen, kann jedoch kein Argument sein für die Einschränkung demokratischer Grundrechte. Erwachsenen Wähler*innen gegenüber werden solche Anforderungen schließlich nicht gestellt. Wahlen in Deutschland sind frei – es obliegt jeder einzelnen Bürgerin, jedem einzelnen Bürger, sich nach eigenem Gewissen für eine Partei (oder gar keine) zu entscheiden. Die Erwartung, dass die Wahl ab 16 dazu führen könnte, die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag zu beeinflussen, ist weder ein Argument für, noch gegen eine Senkung des Wahlalters, sondern Interessenwirtschaft.

Minderjährigen ist es erlaubt einen Führerschein zu machen und der Bundeswehr beizutreten. Für beides ist zwar die Erlaubnis der Eltern notwendig, es scheint jedoch paradox, dass insbesondere letzteres für junge Menschen möglich ist, nicht jedoch, sich an Wahlen zu beteiligen. Auch eine weitreichende Entscheidung wie die Berufswahl steht für viele Jugendliche bereits im Alter von 16 Jahren an. Zusammenfassend ist es also möglich für Minderjährige, für ihr Land ihr Leben zu riskieren und von ihrem Gehalt Steuern zu zahlen, die Teilnahme an einer Wahl soll aber zu viel verlangt sein?

Die Volljährigkeitsgrenze ist nicht so klar gezogen, wie es oft dargestellt wird. An dieser Stelle soll nicht grundsätzlich gegen das Prinzip der Volljährigkeit argumentiert werden – dieses dient ja vorrangig dem Schutz von Minderjährigen – dennoch erscheint ein daran gekoppeltes Wahlalter doch eher willkürlich, zumal es in anderen europäischen Ländern und teilweise auch in Deutschland auf Kommunal- und Landesebene möglich ist, mit 16 zu wählen.

 

Diskussion ohne Ende

Warum also ist dieses Thema immer noch so umstritten, wenn es doch stellenweise bereits auch in Deutschland umgesetzt wurde und den Weltuntergang trotz aller Befürchtungen noch nicht eingeleitet hat? Die hier angebrachten Streitpunkte sind nur Beispiele aus einer Debatte, die sich in den letzten Jahren inhaltlich kaum verändert hat. Gerade deswegen ist es frustrierend zu sehen, wie dieses Thema alle Jahre wieder neu diskutiert wird, mit alten Argumenten und immer dem gleichen Ausgang: nichts passiert. Es ist an der Zeit, dass seitens der befürwortenden Politiker*innen konkrete Schritte vorgenommen werden, um das Anliegen endlich weiter voranzutreiben, statt es nur bei medienwirksamen Gelegenheitsdebatten zu belassen.

 

Die SRzG fordert…

…eine Senkung des Wahlalters auf 16 und zudem langfristig auch ein Wahlrecht nach Eintragung. Das heißt, dass auch ältere Kinder und Jugendliche unter 16 sich nach entsprechender Eintragung im Wahlamt an Wahlen beteiligen können.

Wie eine solche Lösung aussehen könnte und weitere Informationen zum Thema Wahlrecht für Jugendliche finden Sie im Positionspapier der SRzG.

Mehr Informationen auch auf unserer Themenseite.

 

 

 

 

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