Bei der notwendigen Abwägung zwischen Infektionsschutz und Bildung ist in vielen von Deutschlands Nachbarländern das Pendel stärker zu Gunsten der Bildung ausgeschlagen als in Deutschland. Dies kritisiert die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen in ihrer Pressemitteilung vom 30.04.2021.

„Kitas und Schulen haben absolute Priorität“ (Armin Laschet, 6.2.21); „Bevor wir Kitas und Schulen schließen, sind alle anderen Dinge dran“ (Franziska Giffey, 2.11.20); „[D]as erste, was wir wieder öffnen, werden die Schulen und Kinder­gärten sein“ (Angela Merkel, 21.1.21). Eine solche Prioritätensetzung kann nur dann ernst gemeint sein, wenn sie sich in unterschiedlichen Inzidenzwerten in der Corona-Gesetzgebung des Bundes niederschlägt. Bei der notwendigen Ab­wägung zwischen Infektionsschutz und Bildung ist in vielen von Deutschlands Nachbarländern das Pendel stärker zu Gunsten der Bildung ausgeschlagen als in Deutschland. In Frankreich werden Anfang Mai alle Schüler in den Präsen­zunterricht zurückkehren, obwohl Frankreich dann eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 250 hat. Schulschließungen gab es dort seit Herbst 2020 überhaupt nur sehr kurz. In Österreich sind Schulschließungen (also der Verlust an Bildungschancen) geradezu ein Tabu. Für die Teilnahme am Unterricht ist dort ein wöchentlicher negativer Corona-Schnelltest, der an der Schule durch­geführt wird, notwendig. Schüler*innen, welche sich mehr als zwei Tage in der Woche in der Schule aufhalten, müssen einen Test so oft durchführen, dass zwischen den Tests nicht mehr als ein Kalendertag liegt. Können sie eine ärztli­che Bestätigung über eine nicht länger als sechs Monate zurückliegende Corona-Infektion bzw. ein Nachweis über neutralisierende Antikörper für einen Zeitraum von sechs Monaten vorlegen, dann müssen Schüler*innen keinen Test durchführen. Auch in Spanien oder den Niederlanden hat man sich für die Beibehaltung offener Schulen, also für mehr Bildungschancen und somit weniger Schutz vor Infektionen, entschieden.

Es ist aus Sicht der jungen Generation problematisch, dass Deutschland eine deutlich andere Abwägung getroffen hat als seine Nachbarländer. Generell dürfte unstrittig sein: Die Folgen von geschlossenen Schulen sind weit schwer­wiegender als z.B. von geschlossenen Kinos, denn erstere vertiefen auf dramatische Weise die ungleichen Bildungs- und damit Lebenschancen (1). Deswegen war zurecht im Ent­wurf für das neue Infektionsschutzgesetz vorgesehen, dass erst ab einer 7-Tage-Inzidenz über 200 die Schulen geschlossen werden sollen – also ein höhe­rer Wert als bei anderen Lockdown-Bereichen. Auf Druck der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) wurde dieser Wert auf 165 abgesenkt. Dies betraf zahlreiche Kreise in Deutschland – in Baden-Württemberg mussten z.B. in 23 von 44 Kreisen die Schulen dann wieder schließen. Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generatio­nen, die sich als Anwalt von Kinder- und Ju­gendinteressen sieht, kritisiert dies. Die Lehrer sind beim Impfen in die zweite Prioritätsgruppe vorgezogen worden – ein Großteil von ihnen ist bereits ge­impft. Es ist also nicht nachvoll­ziehbar, wenn die Lehrerverbände behaupten, ihr Leben und ihre Gesundheit seien bei offenen Schulen in großer Gefahr. Der Wunsch nach Schulschließun­gen und „Home-Office“ bei vollen Beamten­bezügen war schon von Anfang an stark bei der Lehrerschaft ausgeprägt. Zu­dem verliert das Argument der Ge­sundheitsgefährdung an Gewicht, je dichter gestaffelt die Schü­ler*innentests erfolgen. Es ist mit Hilfe der Laienschnelltests zwar nicht mög­lich, „das Virus wegzutesten“, allerdings lässt sich die Virus-Weitergabe an Schulen sehr wohl „wegtesten“, zu 99 Prozent (2).

Schüler*innen sollten im vollen Präsenzunterricht unterrichtet werden, sobald der Inzidenzwert unter 200 fällt. Denn höchst problematisch ist, dass auf Druck der Lehrer*innen Wechselunterricht im Halbe-Wochen-Modell einge­führt wurde. Denn das hat dazu geführt, dass Kinder in der Hälfte einer Schul­woche gar keine Beschulung mehr erhalten, weder Präsenzunterricht, noch im Fernunterricht.

Optimal wäre, wenn jedes Kind an jedem Tag, an dem es Präsenzunterricht hat, morgens vor Betreten seines Klassenraums einen Test machen würde. Weil der Staat das nicht alleine schaffen kann, müssen auch die Eltern mithel­fen und die Lücke schließen. Die SRzG hat dafür einen Appell an die Eltern ge­startet:

https://www.change.org/eltern-gegen-corona

 

 

Quellen:

1) Siehe frühere Pressemitteilungen der SRzG zu den unterschiedlichen Auswirkungen der Schulschließungen auf benachteiligte und gutsituierte Familien:

https://generationengerechtigkeit.info/wp-content/uploads/2021/03/Aktion_Selbsttest-fuer-mein-Kind-vor-Schulbesuch-2021-03-21-1.pdf

2) Alle zugelassen Laienschnelltests haben Spezifitäten von über 99 Prozent, d.h. wer negativ getestet hat, kann zu 99 Prozent sicher sein, niemand mit dem Virus anzustecken.