Mitte August 2024 ließ die Veröffentlichung einer Studie zur Suche nach einem Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle aufhorchen. Demnach wird sich bei einem „Weiter-so“ der ursprünglich bis zum Jahr 2031 festgelegte Prozess bis 2074 verzögern – und das auch nur unter günstigsten Bedingungen. Die Studie war vom zuständigen Bundesamt (BASE) beim Öko-Institut in Auftrag gegeben worden.

Die SRzG fordert, eine Standortentscheidung bis spätestens 2031 zu fällen. „Es wäre absolut unverantwortlich, wenn Deutschland seinen Atommüll noch länger in Zwischenlagern herumliegen ließe. Über 1000 Behälter mit strahlendem Atommüll lagern derzeit in der Nähe von zwölf stillgelegten Atomkraftwerken. Beton, Stacheldraht und Wachleute können aber nicht annähernd den gleichen Schutz bieten wie ein Endlager in tiefen geologischen Schichten. Gerade in Zeiten von Krieg und terroristischen Attacken ist es höchst problematisch, dass der Atommüll derzeit oberirdisch gelagert wird!“ sagt SRzG-Geschäftsführer Jörg Tremmel.

Aus Sicht der SRzG würde mit der massiven Verzögerung des Auswahlprozesses die fatalere von zwei schlechten Alternativen gewählt. Der hierzulande produzierte Atommüll, also die Hinterlassenschaft aus sechs Jahrzehnten kommerziellem Betrieb von AKWs in Deutschland, ist für Mensch und Umwelt hochgefährlich. Natürlich muss Deutschland bei der Standortauswahl die nötige Sorgfalt walten lassen, aber auch nicht mehr als Finnland, die Schweiz oder andere europäische Länder, die diesen Prozess innerhalb eines überschaubaren Zeitraums erfolgreich abgeschlossen haben. Beim deutschen Endlager handelt es sich um eines der vordringlichsten Bauprojekte von großer Wichtigkeit für die Sicherheit. Und nun soll es nicht nur eine Verzögerung von ein, zwei oder fünf Jahren geben, wie man das auch von anderen Bauprojekten kennt; vielmehr wird es 50 Jahre Verzögerung geben, wenn man beim bisherigen Standortauswahlgesetz bleibt!

SRzG-Vorstand Christopher Isensee weist auf ein weiteres Problem hin: „Angesichts der nun veröffentlichten Studie zum Prozess der Endlagersuche stellt sich die Frage neu, wie mit dem Atommüll in der maroden Schachtanlage Asse II verfahren werden soll. Die Suche nach einem endgültigen Standort für den dort gelagerten Atommüll soll laut der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) erst nach dem erfolgreichem Suchprozess für ein Endlager erfolgen. Bis dahin soll der Müll auf dem maroden Bergwerk gelagert werden, wobei auch die BGE betont, dass der Notfall, ein massiver Wassereintritt in die Lagerkammern, jederzeit eintreten könnte. Seit April 2024 hat sich diese Situation noch einmal verschärft. Seitdem tritt Laugenwasser in größeren Mengen unkontrolliert in die Schachtanlage ein.“

Weil Atommüll eine Frage der Generationengerechtigkeit ist, hat sich die SRzG 2022 im Rahmen eines Walkshops (vgl. hier) ausführlich mit Ortsbesuchen in der Schachtanlage Asse II und Schacht Konrad, ein Bild gemacht. Dabei war zu erfahren, dass das Verfahren auch deshalb so lange dauert, weil eine Vielzahl an potenziellen Standortregionen (54% des gesamten Bundesgebietes) beprüft werden und auch, weil bürokratische Hürden zu einer extremen Verlangsamung des Prozesses führen.

Nun fordert die SRzG eine Überarbeitung des Standortauswahlgesetz, welches in §1 Abs. 5 Satz 2 eine Standortfindung bis 2031 vorsieht. Die SRzG schlägt vor, das deutsche Standortauswahlgesetz, das offensichtlich sein Datumsziel verfehlt, zu ersetzen. Ein neues Gesetz könnte sich am Schweizerischen Verfahren für ein „Tiefenlager“ , das bereits früh mit der vertieften Untersuchung einzelner Gebiete begann, orientieren.

Natürlich ist offenkundig, dass die Auswahl eines Standortes für Lagerung radioaktiver Abfallstoffe nicht im Eilverfahren erfolgen kann, aber diesen Vorwurf wird man unserem Nachbarland Schweiz kaum machen können, das immerhin 14 Jahre lang gesucht und geprüft hat. Wenn in Windlach, nur zwei Kilometer südlich der der deutschen Grenze, das Endlager der Schweiz in einer Tonschicht tief unter der Erde fertig gebaut sein wird, dann wird die Schweiz ihr Problem mit den oberirdischen Zwischenlagern wie in Würenlingen gelöst haben. Die Gefahr, dass in Schweizer Zwischenlagern Strahlung austritt und Mensch und Umwelt verseucht, wird dann bewältigt sein.

Wir haben es zweifellos mit einem generationenübergreifenden Problem zu tun, das weiterhin unter breiter Öffentlichkeitsbeteiligung und wissenschaftlicher Begleitung diskutiert werden muss. Die Gefahren einer massiven Verzögerung der Standortentscheidung müssen dabei stärker beachtet werden. Dabei darf nicht davor zurückgescheut werden, die Strukturen, Kompetenzen und die Arbeitsweisen der beteiligten Behörden und Gesellschaften kritisch zu durchleuchten.

Nachweise: