von Christoph Maier, Botschafter der SRzG.
In den vergangenen Jahren hat die Diskussion über die Stabilität und Zukunftsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung an Intensität gewonnen. Bereits 2020 hatte die SRzG in ihrem Positionspapier Rente und Pensionen einerseits betont, dass ein vollständiger Systemwechsel vom Umlage- zum Kapitaldeckungssystem nicht möglich ist, ohne eine Generation doppelt zu belasten. Die heute im Erwerbsleben stehende Generation müsste einerseits die laufenden Renten für die heutigen Rentnerkohorten finanzieren, andererseits ihre eigene, künftige Rente im Kapitaldeckungsverfahren selbst ansparen. Die junge Generation ist – sobald sie ihre erste sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle antritt – in den Generationenvertrag einbezogen: Sie zahlt Beiträge (=Rentenauszahlungen der heute Alten) und sie erwirbt eigene Ansprüche in dem Umlagesystem. Gleichzeitig fordert das Positionspapier als kapitalgedeckte Säule individueller Altersvorsorge eine Pflichtversicherung in Höhe von einem Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens nach Vorbild des schwedischen Models. Dazu heißt es: „Diese staatlich verordnete interpersonale Umverteilung vom jungen Ich zum alten Ich sollte ab dem Jahr 2022 für alle 1970 und später Geborenen eingeführt werden. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) könnte eine quasi-staatliche Verwaltung übernehmen, wobei jede:r Beitragszahlende auf ein individuelles Konto einzahlt. Bestehende Riester-Verträge blieben aus rechtlichen Gründen davon unberührt.“
Inzwischen hat sich einiges getan:
Der Bund hat die Einführung eines Generationenkapitals beschlossen (MDR 2023). Geplant ist, ab 2024 jährlich zwölf Milliarden Euro in einen staatlich verwalteten Fonds zu investieren, der bis 2035 auf ein Volumen von 200 Milliarden Euro anwachsen soll. Dieses Konzept zielt darauf ab, die Rentenversicherungsbeiträge zu stabilisieren. Der entscheidende Unterschied zum schwedischen Modell: Es gibt keine individuellen Konten. Die Verwaltung des neuen Milliarden-Fonds machen nicht die Wertpapierberater der Banken und Versicherungen bzw. unabhängige Wertpapierberater, sondern das kleine Team, welches bereits jetzt den 24 Mrd. Euro schweren Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung des Bundes (kurz: KENFO) verwaltet. Es bleibt abzuwarten, ob das Ziel einer hohen Rendite auch weiterhin von diesem Team rund um Anja Mikus erreicht wird. Das so genannte Generationenkapital ist jedenfalls erst mal ein spannender Ansatz, die Rentenversicherung zu entlasten.
Parallel dazu bleibt die Riesterrente ein bedeutendes Instrument der privaten Altersvorsorge. In unserem Positionspapier von 2020 hatten wir bereits eine Revitalisierung der Riesterrente gefordert. Hier hat vor kurzem eine Fokusgruppe beim Finanzministerium ihren Abschlussbericht vorgelegt (Fokusgruppe private Altersvorsorge 2023). Sie hatte den Auftrag, einerseits die Möglichkeit eines öffentlich verantworteten Fonds zu prüfen, der Altersvorsorgenden ein kostengünstiges und effektives Angebot unterbreitet und abgewählt werden kann (Opt-Out), und andererseits die gesetzliche Anerkennung privater Produkte zu prüfen, die eine höhere Rendite als Riester-Verträge ermöglichen. Die Mehrheit votierte dafür, einen größeren Aktienanteil in den steuergeförderten Riester-Produkten zu erlauben. Dies würde sowohl Renditen als auch Risiken erhöhen. Es gab zahlreiche Minderheitenvoten.
Doch wie passt nun das Thema „Nachhaltiges Investment“ in diesen Kontext? Hierbei geht es nicht nur um die Höhe der Rendite, sondern auch darum, wie diese Renditen erzielt werden und welche langfristigen Auswirkungen die Portfolio-Strategie auf unsere Gesellschaft und unseren Planeten hat. Ich argumentiere nachfolgend, dass nachhaltige Investitionsansätze für eine zukunftsfähige Gesellschaft unerlässlich sind. Im Arbeitsalltag habe ich viel mit jungen Erben und gutverdienenden Akademikern zu tun, denen neben einer ökonomischen Rendite bei der Altersvorsorge insbesondere auch die ökologische und soziale Rendite wichtig ist. Wenn ich in Unternehmen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit investiere, profitieren meine Kunden doppelt: denn solche Produkte sind selten von regulatorischen Problemen betroffen, operativ weniger riskant, transparenter und letztlich renditestärker (Mißfeldt 1993). Das ist ihr erster Vorteil. Investieren in nachhaltige Aktien und Anleihen trägt aber zweitens auch dazu bei, positive Veränderungen in der Welt zu bewirken. Richtig für das Vermögen und richtig für eine dauerhaft lebenswerte Welt.
Ein weiterer Vorteil von nachhaltigen Investitionen ist das sogenannte „Active Ownership“ (Dimson 2015). Dabei handelt es sich um eine Investitionsstrategie, bei der Investoren ihre Aktien- und Anleihepositionen nutzen, um auf Unternehmen einzuwirken und positive Veränderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung zu bewirken. Aktive Aktionärsbeteiligung kann dazu beitragen, dass Unternehmen ihre Geschäftspraktiken ändern und soziale und ökologische Belange besser berücksichtigen. Dies kann wiederum dazu beitragen, langfristige Renditen zu generieren und positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt zu erzielen. Active Ownership hat in der Vergangenheit in verschiedenen Bereichen bereits positive Veränderungen bewirkt. Ein Beispiel ist das Engagement von Investoren bei der Reduzierung von Kohlenstoffemissionen in der Öl- und Gasindustrie. Durch Forderungen nach mehr Transparenz und Reduzierung von Treibhausgasemissionen haben einige der größten Energieunternehmen sich verpflichtet, auf erneuerbare Energien umzusteigen (PwC 2023). Ein weiteres Beispiel ist die Einflussnahme von Investoren auf die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in Entwicklungsländern, um sicherzustellen, dass Arbeiterinnen und Arbeiter faire Löhne und sichere Arbeitsbedingungen erhalten (ILO 2016). Margarete Vestager, der EU-Wettbewerbskommissarin, spricht sich für ein nachhaltiges Investitionspaket der EU als Reaktion auf die US Subventionen im Zuge des Inflation Reduction Act aus: „Es ist wichtig, dass wir in andere Richtungen denken, anstatt nur zu sagen: Lasst uns einen Haufen Geld einsammeln und irgendwie verteilen“ (Handelsblatt 2023).
Finanzielle Bildung ist entscheidend, um Menschen dabei zu helfen, fundierte Entscheidungen in Bezug auf ihre Finanzen zu treffen. Es geht dabei nicht nur um den Umgang mit Geld im Alltag, sondern auch um die richtige Investitionsentscheidungen, eben für nachhaltige Investitionen. Leider ist die finanzielle Bildung in Deutschland noch immer unzureichend. Eine Studie zeigt, dass nur etwas mehr als 60% der Befragten einfache Finanzbegriffe wie Inflation, Zinsen und Risikodiversifikation richtig erklären können (Bachmann et al 2021; OECD 2020). Dank niedriger Einstiegshürden, etwa durch Neobroker, haben gerade jüngere Jahrgänge in den letzten Jahren vermehrt den Weg an die Börse gefunden. Dieser Trend ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Dennoch besteht auch die Gefahr, dass sich gerade junge Investoren überschätzen. Ohne Erfahrung und Hintergrundwissen laufen sie Gefahr, Fehlentscheidungen zu treffen (IU Internationale Hochschule 2023).
Die Erkenntnis, dass Investitionen in Aktien und Anleihen weit über persönlichen finanziellen Gewinn hinausgehen können, gewinnt an Bedeutung. Während traditionelle Sparbücher ihren festen Platz haben, bieten moderne Finanzmärkte innovative Möglichkeiten. Nachhaltige Investitionen im Rahmen der Altersvorsorge können dazu beitragen, sowohl finanzielle als auch soziale und ökologische Ziele zu erreichen. Durch Investitionen in Unternehmen mit starkem Fokus auf Umwelt- und Sozialverantwortung und die Nutzung von Active Ownership können junge Menschen nicht nur ausreichend hohe Renditen erzielen, um sich so eine gute Altersvorsorge aufzubauen, sondern auch zu einer nachhaltigeren Zukunft für alle beitragen.
Zitierte Literatur:
Bachmann, Ronald / Rulff, Christian / Schmidt, Christoph M. (2021): Finanzielle Kompetenzen und Defizite in Deutschland – eine aktuelle Bestandsaufnahme. RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung https://www.econstor.eu/handle/10419/233831.
Dimson, Elroy / Karakaş, Oğuzhan / Li, Xi (2015): Active Ownership. SSRN Scholarly Paper. Rochester, NY, https://doi.org/10.2139/ssrn.2154724.
Fokusgruppe private Altersvorsorge (2023): Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge beim Bundesministerium der Finanzen, Berlin. https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/abschlussbericht-fokusgruppe-private-altersvorsorge.pdf-
Handelsblatt (2023): Subventionen: Milliarden für Cleantech-Unternehmen: EU schlägt neuen Investitionsfonds vor. https://www.handelsblatt.com/politik/international/subventionen-milliarden-fuer-cleantech-unternehmen-eu-schlaegt-neuen-investitionsfonds-vor/28970834.html.
International Labour Organization, ILO (2016): Better Work programme’s assessment: Improved working conditions in the apparel industry make workers’ lives better and businesses stronger. https://www.ilo.org/global/about-the-ilo/newsroom/news/WCMS_526513/lang–en/index.htm.
IU Internationale Hochschule (2023): Finanzielle Bildung in Deutschland. https://static.iu.de/studies/Finanzielle-Bildung-in-Deutschland.pdf.
MDR (2023): Generationenkapital – Bund will mehr Geld in die Aktienrente einzahlen (7.8.2023). https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/aktien-rente-mehr-geld-renten-versicherung-100.html.
Mißfeldt, Sönke (1993). Ökonomie der Fairness. Nur online: https://epaper-tecis.1kcloud.com/ep14q29O/epaper/Oekonomie-der-Fairness.pdf
PwC (2023): Nachhaltigkeit in der Öl- und Gasindustrie. https://www.pwc.de/de/nachhaltigkeit/nachhaltigkeit-in-der-oel-und-gasindustrie.html.
OECD (2020): OECD/INFE 2020 International Survey of Adult Financial Literacy. www.oecd.org/financial/education/launchoftheoecdinfeglobalfinancialliteracysurveyreport.htm.