
Ein Bericht von Michael Weilch (SRzG-Botschafter) zu den Prioritäten in der Märzsitzung des Congress of Local and Regional Authorities des Europarats.
“It’s a missed opportunity”
“We are told to recycle but not invited to energy meetings. We’re asked to volunteer after floods but not consulted when cities plan drainage systems. This is not just unfair. It’s a missed opportunity.” Mit diesen Worten beschrieb Roxana Chiritoiu aus Rumänien im Namen aller Jugenddelegierten den Status Quo und die Sorgen vieler junger Menschen im Bereich der Klimapolitik. Doch zuerst einmal zurück zum Start.
Von 25. bis 27. März fand die erste Session des Congress of Local and Regional Authorities statt. Das ist eine Institution innerhalb des Europarats, die sich aus über 300 Vertreter:innen von Gemeinden, Städten und Regionen aus allen 46 Mitgliedsstaaten zusammensetzt. Der Kongress hat dabei zwei Hauptaufgaben: Einerseits stärkt er den Dialog zwischen nationalen Regierungen und lokalen Autoritäten (in Österreich z.B. Landtagen, Bürgermeister:innen etc.). Andererseits setzt sich der Kongress aktiv für die drei Hauptthemen des Europarats ein: Democracy, Human Rights, and Rule of Law.
Mit dabei: ein:e Jugenddelegierte:r pro Mitgliedsstaat des Europarats. Aufgabe dieser Jugenddelegierten ist es, zu den behandelten Themen jeweils eigene Stellungnahmen und Vorschläge vorzubringen sowie an den Debatten aktiv teilzunehmen. Und hier kommen wir wieder zum Anfangszitat zurück. Denn bei dieser einleitenden Rede betonten die Jugenddelegierten die ungleiche Rollenverteilung in Bezug auf Klimaschutzmaßnahmen: Während junge Menschen am längsten unter Klimaveränderungen leiden werden, werde ihre Stimme immer noch zu selten gehört. Daher wurden konkrete Vorschläge gemacht, um alle Generationen in gesellschaftliche Entscheidungen einzubinden, darunter etwa Jugendparlamente (wie in Trnava) oder partizipative Budgetentscheidungen (wie etwa Wiens jährliche „Jugendmillion“).
Michael Weilch als Jugenddelegierter im Europarat
Von Moorgebieten und Obdachlosigkeit…
Der Fokus dieser Session lag aber nicht nur auf Makrothemen – auch für Detaildiskussionen blieb Raum. So machte ich als Österreichischer Jugenddelegierter z.B. auf die Rolle der Moore beim Klimawandel aufmerksam. Oft wird über Wälder und Aufforstung gesprochen. Dabei wird leider bisweilen vergessen, dass Moorgebiete (obwohl sie nur 3% der Erdoberfläche ausmachen) doppelt so viel CO2 speichern als alle Waldflächen gemeinsam. Emissionen von trocken gelegten oder abbrennenden Mooren sind für ca. 7% aller Treibhausgasemissionen der EU verantwortlich. Durch Wiederbewässerung und alternative Landnutzung könnte diese Zahl stark gesenkt und gleichzeitig wertvoller Lebensraum für Fauna und Flora erhalten werden.
Ein weiterer Schwerpunkt des Kongresses lag auf dem Thema Obdachlosigkeit. Obschon nicht auf dem ersten Blick, befinden wir uns auch hier im Kerngebiet generationenübergreifender Konflikte und Spannungen. Wem gehört Wohnraum in unseren Gesellschaften? Wer bestimmt über künftige Siedlungsstrukturen? Den Wohnraum in unseren Städten zu verändern, dauert Jahrzehnte. Oder anders formuliert: Die Gebäude jener Wohnungen, in die ich als Student ziehen kann, wurden von meinen Eltern oder Großeltern errichtet. Gerade deshalb ist hier eine gemeinsame, vorausschauende Planung essenziell.
Wenn wir in unserer Gesellschaft niemanden zurück- (bzw. auf den Straßen) lassen wollen, sind neue und innovative Wohnkonzepte ebenso gefragt wie staatliche Maßnahmen. Hier könnte man sich am Erfolgskonzept Wiens orientieren – einer der wenigen Großstädte Europas, wo junge Menschen und Familien dank Gemeindewohnungen, geringer Mieten und unbefristeten Verträgen bei der Suche nach leistbarem Wohnraum nicht standardmäßig verzweifeln müssen.
…bis hin zur Demokratie selbst
Doch angesichts der politischen Großwetterlage darf auch der Blick über den eigenen Komfortbereich hinaus nicht unterbleiben. Wenn wir über Generationengerechtigkeit sprechen, ist das nur möglich, weil es einen Konsens zu unserem politischen System gibt. Einen Konsens dahingehend, dass wir Entscheidungen debattieren und in Wahlen münden lassen.
Genau dieser Konsens ist leider in einigen Mitgliedsstaaten des Europarats in Gefahr. Die jüngsten Entwicklungen in Georgien sowie die willkürlichen Verhaftungen oppositioneller Bürgermeister:innen in der Türkei scheinen vielleicht fern. Doch wenn im Plenarsaal plötzlich türkische Delegierte fehlen, weil sie im Gefängnis sitzen, ist dieses Geschehen nicht mehr gar so fern. Und wenn der türkische Jugenddelegierte davon erzählt, selbst Zielscheibe politischer Repression geworden zu sein, ist es sogar nah.
So nah, dass ich mit einem Plädoyer schließen möchte. Einem Plädoyer, in all unseren politischen Aktivitäten und Debatten eines nicht aus dem Blick zu verlieren: die Grundfesten, auf denen wir unsere Gesellschaften in Europa errichtet haben. Grundfesten, die der Europarat wie kaum eine andere Institution verkörpert. Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sind keine leeren Worthülsen, sondern müssen aktiv verteidigt werden. Für Junge und Ältere. Für Ungeborene und Greise. Kurzum – für uns alle!