Anlässlich des Jahreswechsels präsentiert uns Martin Speer von der Stiftung Generationengerechtigkeit seine 7+1 Ideen für ein friedlicheres, kommunikativeres und zukunftsorientiertes Zusammenleben im nächsten Jahr. Gastbeitrag veröffentlicht in The European
Wir blicken auf ein politisch turbulentes Jahr zurück. Zeit, dass wir innehalten und uns, Betrachter und Gestalter politischer Ideen, für das Jahr 2015 einige gute Vorsätze fassen. Vorsätze, die wir gemeinsam in die Tat umsetzten können. Für ein friedlicheres, kommunikativeres und zukunftsorientiertes Zusammenleben. Wir haben 7+1 Ideen für Sie.
1) Augen und Ohren auf.
Auch im nächsten Jahr wird sich unsere Welt weiter in rasendem Tempo wandeln. Diesen Wandel können wir nur gestalten, wenn wir stetig bestrebt sind, ihn zu verstehen. Daher gilt, Augen und Ohren auf! Betrachten wir all das was um uns herum geschieht aufmerksam und speisen unser Weltbild aus einer möglichst breiten Anzahl von Quellen. Seien wir kritisch, aber nicht übertrieben misstrauisch. Nutzen wir die Kraft unseres Verstandes und unserer Neugier. Lassen Sie uns Mut zur Unvoreingenommenheit haben und uns in einer unterschätzten Kunst üben: Dem Lauschen.
2) Mit, statt nur drüber reden!
Politik sind nicht die anderen, sondern wir selbst. In diesem Verständnis steckt die Chance für jeden von uns die Gegenwart und Zukunft mitzugestalten. Oder wollen wir, dass andere über unser Leben entscheiden? Lassen Sie uns konkret aktiv werden. Probieren wir es, gerne auch offline! Ob in einer Partei, NGO oder einem Verein in unserem Umfeld. Und wenn es kein passendes Format für uns gibt, initiieren wir eben unser eigenes. Schließen wir uns zusammen. Wir sind nicht allein und weit mächtiger als wir glauben. Das heißt aber auch, wir sollten uns einen politischen Rahmen geben, der uns allen mehr Mitbestimmung erlaubt.
3) Mehr Qualität, mehr Tiefe
Eine komplexe Welt erfordert komplexe Betrachtungen und Antworten – wir alle merken das. Dennoch sind monokausale Erklärungen und Rechtfertigungen dieser Tage hoch im Kurs – die Pegida Bewegung zeigt dies ganz besonders. Wirklich gelöst werden die Probleme dadurch aber nicht – trügerische Beziehungen werden geknüpft, subtile Verbindungen ignoriert und gefährliche und überzogenen Feindbilder kreiert. Zeit, dass wir Klarheit schaffen und unser Denken für Tiefe öffnen. Gemeinsam können wir die Hintergründe und großen Zusammenhänge verstehen. Nur so können wir kluge Antworten entwickeln. Denn steckt nicht gerade in einer Krise die Chance für einen Neustart, im Tiefpunkt das Potenzial zum Wendepunkt? Zu lange haben wir in der Breite gelebt und die Tiefe aus den Augen verloren. 2015 bietet uns die Chance die Rückkehr der Qualität zu feiern. Mit Substanz statt Plattitüde.
4) Debattieren
Unsere Demokratie lebt von der Debatte, im privaten wie politischen. Doch, was geschieht, wenn diese auf Sparflamme köchelt, zur reinen medialen Inszenierung verkommt oder gar vollkommen ausbleibt? Die Demokratie verliert den Kern ihrer selbst, ihre Seele. Das sollten wir nicht zulassen. Die Debatte gehört in den Mittelpunkt des Geschehens und nicht an den Rand. Zusammen mit mehr Respekt vor der Meinung des Anderen und schlichtweg einem Mehr an Zeit für den Austausch – am heimischen Abendbrottisch, aber auch im Parlament.
5) Nach vorne denken!
Im Rauschen der Gegenwart vergessen wir allzu oft das Denken an Übermorgen. Doch immer gilt: Unser Tun und Nicht-Tun beeinflusst die Lebenswelt unserer Kinder und Enkel tiefgreifend. Lassen Sie uns ihre Wünsche und Rechte zu einem festen Bestandteil unserer politischen und privaten Agenda machen. Das sind wir ihnen – und uns selbst – schuldig. Angefangen bei den nötigen Reformen der sozialen Sicherungssysteme über die Bildung bis zum nachhaltigen Wirtschaften.
6) Unsere Ängste verstehen
Des Deutschen liebster Freund ist nicht sein Auto, sondern seine Angst. Überfremdung, Inflation und Altersarmut, Job- und Partnerverlust, die Liste unsere Ängste ist lang. Wir müssen sie ernst nehmen um zu verstehen, wo ihr Ursprung liegt und wie wir sie, jeder für sich und alle gemeinsam, überwinden und ins Positive umwandeln können. Denn im lösungsorientierten Umgang mit unserer Angst liegt die Kunst, nicht in deren Verwaltung und Kultivierung.
7) EuropäerIn sein
An Tagen wie diesen, wo rohe Gewalt, Fanatismus, Großmut und unbändige marktwirtschaftliche Kräfte an den inneren und äußeren Mauer unseres Kontinents rütteln, müssen wir uns dem Wert unserer Union ins Bewusstsein rufen. Europa ist weit mehr als das vermeintliche Raumschiff Brüssel, Europa ist unser Alltag und unsere Zukunft. Nur gemeinsam können wir den Herausforderungen unseres Jahrhunderts begegnen. Europäer sein heißt aber auch die Werte, welche wir uns zuschrieben, ehrlich zu leben und selbstbewusst zu vertreten. Daran dürfen wir uns selbst und unsere gewählten Vertreter gerne öfter erinnern.
+1) Sie sind gefragt!
Der wichtigste Punkt zum Schluss, denn hier geht es um Sie. Jeden einzelnen von Ihnen. Wenn wir im letzten Jahr eines gelernt haben, dann, dass individueller Einsatz einen Unterschied macht – im eigenen, aber auch im Leben anderer. Das sehen wir an bewegenden Ereignissen und Menschen, angefangen bei dem demokratischen Umsturz in der Ukraine zu Beginn des Jahres über die Demokratie-Bewegung in Hong-Kong bis zum aufopferungsvollen Einsatz der Bürgerin Tugce Albayrak und Nobelpreisträgerin Malala Yousafzai. Am Anfang jeder Veränderung stehen wir und niemand sonst. Daher sind Sie gefragt. Machen Sie das kommende Jahr zu Ihrem Jahr. Bringen Sie Ihre Ideen ein und teilen Sie Ihre einzigartigen Qualitäten und Talente mit der Welt. Die Zukunft braucht Sie!