Von Theresa Zeng (SRzG-Botschafterin) und Lena Winzer (SRzG-Projektmanagerin).

Das Europäische Parlament hat heute die neue EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen bestätigt. Mit einer Mehrheit von 370 Stimmen kann das 27-köpfige Team, bestehend aus bekannten Gesichtern und neuen Mitgliedern, seine Arbeit am 1. Dezember aufnehmen. Die zweite Amtszeit von der Leyens steht vor großen Herausforderungen: Klimaschutz, Sicherheit und soziale Gerechtigkeit stehen ebenso im Fokus wie die Stärkung der Union im globalen Wettbewerb. Die heutige Abstimmung wurde als wichtiger Test für von der Leyens Rückhalt im Parlament gesehen, das zuletzt eine kritischere Haltung gegenüber ihrer bisherigen Arbeit eingenommen hatte.

Mit der Ernennung des erst 35-jährigen Glenn Micallef aus Malta zum EU-Kommissar für Generationengerechtigkeit, Jugend, Kultur und Sport setzt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Zeichen: Generationengerechtigkeit soll in den kommenden Jahren sichtbarer und strategischer adressiert werden. Doch während Micallefs jugendlicher Enthusiasmus und seine bisherigen politischen Erfahrungen in Malta vielversprechend erscheinen, wirft seine Agenda Fragen auf – nicht zuletzt, ob Generationengerechtigkeit im neuen Portfolio wirklich den Stellenwert erhält, den sie verdient.

Eine Generationenstrategie, die vage bleibt

Micallef kündigte in seiner Anhörung eine „umfassende Strategie für Generationengerechtigkeit“ an, die die Auswirkungen heutiger Entscheidungen auf künftige Generationen berücksichtigen soll. Die Vision ist löblich, doch an der konkreten Ausgestaltung mangelt es. Die Integration von Generationengerechtigkeit in verschiedene Politikfelder oder die Förderung generationenübergreifender Projekte klingen gut – aber wie genau will er sicherstellen, dass langfristige Perspektiven in einem System verankert werden, das oft von kurzfristigen Interessen geprägt ist?

Während Jugendliche durch Programme wie den „Jugendtest“ oder den neuen Jugendbeirat stärker eingebunden werden sollen, fehlt eine klare Unterscheidung zwischen Jugendpolitik und Generationengerechtigkeit. Letztere betrifft nicht nur junge Menschen, sondern fordert die Berücksichtigung aller Altersgruppen sowie besonders derjenigen, die noch geboren werden. Hier läuft Micallef Gefahr, eine zentrale Dimension seines Mandats zu vernachlässigen.

Ein überladenes Portfolio

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Breite seines Portfolios. Generationengerechtigkeit teilt sich den Platz mit Jugend-, Kultur- und Sportpolitik – Themen, die in der EU meist unterstützende Kompetenzen sind. Während Projekte wie Erasmus+ oder ein strategischer Kulturkompass wichtig sind, bleibt abzuwarten, wie viel Aufmerksamkeit und Ressourcen tatsächlich für generationengerechte Reformen übrig bleiben.

Besonders in der Sozial- und Beschäftigungspolitik, wo die EU größere Einflussmöglichkeiten hat, könnten nachhaltige Ansätze eingebracht werden. Etwa bei der Schließung von Schutzlücken für atypisch Beschäftigte oder Selbstständige und der Bekämpfung von Altersarmut. Doch auch hier fehlt bislang ein detaillierter Fahrplan.

Generationengerechtigkeit: Ein Prüfstein für die EU

Die Ernennung eines Kommissars, der Generationengerechtigkeit explizit im Titel trägt, ist ein wichtiger Schritt. Doch die große Herausforderung bleibt: Kann die EU unter Micallefs Führung generationengerechte Perspektiven nachhaltig in die Politikgestaltung einbinden? Und wird es ihm gelingen, über das rein Symbolische hinauszugehen und konkrete Ergebnisse zu liefern? Eine Zwischenbilanz nach der Hälfte der Amtszeit wäre notwendig, um zu bewerten, ob Micallef seinem Mandat gerecht wird. Gleichzeitig könnten zivilgesellschaftliche Organisationen – wie die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen – Impulse setzen und sicherstellen, dass die Stimme zukünftiger Generationen in der EU gehört wird.

Glenn Micallef steht am Anfang eines spannenden, aber auch herausfordernden Weges. Sein Erfolg wird nicht nur an der Umsetzung seiner Projekte gemessen, sondern auch daran, ob er Generationengerechtigkeit in ihrer umfassendsten Form begreift – als Verantwortung gegenüber allen Generationen, heute und in der Zukunft.