Die SRzG untersucht den schwarz-roten Koalitionsvertrag in einer Serie von Blogbeiträgen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema Gesundheit und Pflege.
Das steht im Koalitionsvertrag:
- Die Koalition bekennt sich zur Stabilisierung der Finanzen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
- Das System der Krankenhäuser soll reformiert werden: „Wir entwickeln eine qualitative, bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhauslandschaft aufbauend auf der Krankenhausreform der letzten Legislaturperiode fort und regeln dies gesetzlich bis zum Sommer 2025.“ (KoaV S. 108)
- Die Pflegereform wird zwar als „Generationenaufgabe“ anerkannt, konkrete Maßnahmen werden auf eine Kommission verlagert, die bis Ende 2025 Ergebnisse liefern soll (vgl. KoaV S.109).
- Die Koalition plant Neuerungen im Bereich der Digitalisierung im Gesundheitswesen, beispielsweise die elektronische Patientenakte, KI-gestützte Pflegedokumentation, und ein Forschungsdatenzentrum.
- Der Koalitionsvertrag greift das Thema „Einsamkeit“ auf (KoaV S. 105): „wir stärken freiwillige Angebote auf kommunaler Ebene, die vulnerable Gruppen in den Blick nehmen“ (KoaV S. 106).
Die Position der SRzG:
In zentralen Fragen der intergenerationellen Gerechtigkeit im Themenfeld Gesundheit und Pflege bleibt der Koalitionsvertrag hinter den Erwartungen zurück. Während wichtige Zukunftsbereiche wie Forschung und Digitalisierung gestärkt werden, fehlt es an klaren Lösungen für die strukturelle Finanzierung sozialer Sicherungssysteme. Das wiederholte Verschieben der dringend notwendigen GKV- und Pflegereform und der inflationäre Einsatz von Sondervermögen zeigen, dass heutige Herausforderungen auf Kosten der nachfolgenden Generationen vertagt werden.
- Statt klarer Maßnahmen zur Finanzierung enthält der Vertrag lediglich vage Absichtsbekundungen. Angesichts der bereits heute bestehenden Finanzierungslücken ist das aus Sicht der jungen Generation unzureichend. Wenn eine Generation nur zu zwei Dritteln durch ihre Nachfolgegeneration ersetzt wird, so kann nicht einfach die Pflege auf gleichem Niveau gehalten oder sogar ausgeweitet werden. Das wäre ein Patentrezept zu Überforderung der jungen Generation. Die Bundesregierung sollte hier Erwartungsmanagement betreiben und betonen, dass die Pflegeversicherung nie als Vollversicherung gedacht gewesen war. Beitragserhöhungen sollten ausgeschlossen werden.
- Zudem wurde die vollständige steuerliche Gegenfinanzierung versicherungsfremder Leistungen gestrichen. Die SRzG spricht sich für eine vollständige steuerliche Gegenfinanzierung aus.
- Es stellt sich die Frage, inwieweit die im Koalitionsvertrag genannten “Weiterentwicklungen” finanziert werden sollen. Investitionen in Gesundheitsinfrastruktur sind sinnvoll, aber sie müssen gesamtwirtschaftlich getragen werden. Die Re-Investitionen müssen aus dem laufenden Haushalt kommen, nicht aus dem 500 Mrd. Euro-Sondervermögen, nur zusätzliche Investitionen dürfen daraus finanziert werden.
- Die Vorhaben zur Digitalisierung im Gesundheitswesen sind gut. Doch hier bleibt offen, ob die angekündigten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt oder – wie beim Bürokratieabbau – erneut aufgeschoben werden.
- Eine sehr konkrete, generationengerechte Maßnahme, die im Koalitionsvertrag fehlt, ist die Förderung und Anreizsetzung der Forschung im Feld der Antibiotikaresistenzen. Dies wird für die medizinische Versorgung zukünftiger Generationen fundamental wichtig.
- Die Maßnahme zur Stärkung freiwilliger Angebote beim Thema Einsamkeit, v.a. bei jungen Menschen, wirft Fragen zur Finanzierung auf: Aktuell beschränken sich solche Projekte meist auf kurzzeitige Anschubfinanzierungen, die ohne tragfähige Anschlussförderung wieder auslaufen. Es ist davon auszugehen, dass bestehende Herausforderungen fortbestehen werden. Deshalb wären Maßnahmen zugunsten von mehr Psychotherapieplätzen für Kinder und Jugendliche sowie die Ausbildungsfinanzierung für entsprechende TherapeutInnen wünschenswert.
Zum Kontext: Die SRzG untersucht den Koalitionsvertrag in einer ausführlichen Stellungnahme auf das Thema Generationengerechtigkeit. Darin fokussiert sie sich auf zentrale Politikfelder wie Begriffliche Verankerung der Generationengerechtigkeit, Institutionelle Reformen, Klimaschutz, Umwelt und Energie, Atomare Endlagerung, Staatsverschuldung und Investitionen, Alterssicherung, Gesundheit und Pflege, Wehrdienst und Bildung.