In der Union gibt es Widerstand gegen die Rente mit 63. Doch die CDU-gewollte Mütterrente ist nicht weniger problematisch. Gegen Altersarmut hilft beides nicht. Ein Kommentar von Wolfgang Gründinger, Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, auf  ZEIT Online, 7.4.2014

Das Rentenpaket lässt das Rentenniveau noch stärker schrumpfen als das ohnehin schon der Fall ist. Denn die Mehrausgaben werden durch höhere Rentenbeiträge finanziert. Dadurch bleibt den Arbeitnehmern weniger netto vom brutto in der Tasche, und weil die Renten an den Nettolohn gekoppelt sind, fallen auch die Rentenanpassungen schmaler aus. Die Folge: Alle Rentnerinnen und Rentner, die nicht von der Rente mit 63 oder der Mütterrente profitieren, bekommen weniger als vorher, und alle Beitragszahler haben nicht nur weniger Nettolohn, sondern erhalten später noch weniger Rente.

In harten Zahlen: Normalerweise wäre das Rentenniveau von 47,8% heute auf 44,4% bis zum Jahr 2030 gesunken, mit dem Rentenpaket wird es noch heftiger auf 43,7% gekürzt. Wenn die tatsächlichen Kosten höher ausfallen als veranschlagt, sinkt das Rentenniveau noch stärker. Die Jungen müssen noch mehr in die Rentenkasse einzahlen, bekommen am Ende aber noch weniger raus – und müssen mehr privat vorsorgen, was bei anhaltend niedriger Zinsen nicht einfach wird.

Die Jungen haben von dem Rentenpaket nichts. Die abschlagsfreie Rente mit 63 nützt nur den geburtenstarken Babyboomer-Jahrgängen 1951 bis 1963. Denn parallel zur Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 wird auch die Altersgrenze für die Frührente von 63 auf 65 erhöht. Das heißt: Wer nach 1964 geboren ist, hat Pech. Er kann erst wieder mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen – aber das ist bereits heute Gesetz. Drei Viertel der Frührentner sind übrigens Männer, weil Frauen die nötigen Beitragszeiten kaum aufbringen. Die Geschlechtergerechtigkeit bleibt also auch auf der Strecke.

Altersarmut wird nicht verhindert

Die geplante Aufstockung der Erziehungsleistungen für vor dem Stichjahr 1992 geborene Kinder hilft armen Müttern keinen Deut, weil die Mütterrente mit der Grundsicherung verrechnet wird. Wirklich bedürftige Mütter haben daher keinen Cent mehr auf dem Konto. Generell ist die Mütterrente kein allzu treffsicheres Instrument gegen Altersarmut, denn gerade die Mütter der Hausfrauengeneration der Jahrgänge vor 1970 sind über ihre Ehemänner oder Hinterbliebenenrenten in der Regel gut abgesichert.

In den Genuss der abschlagsfreien Rente mit 63 kommen vor allem Gutverdiener, die ohnehin hohe gesetzliche Renten beziehen. Das Einkommen der langjährig Versicherten liegt 25% über dem Durchschnitt.

Das Rentenpaket geht am Problem der Altersarmut völlig vorbei. Das stärker sinkende Rentenniveau und die steigenden Rentenbeiträge treffen vor allem die Kleinverdiener, die sich noch schwerer als bisher eine Rente über der Grundsicherung erarbeiten können.

Die Rente mit 63 gleicht soziale Unterschiede nicht aus

Häufig wird argumentiert, die Rente mit 63 sei sozial gerecht, weil sie die harte Arbeit von Industriearbeitern würdigt, die bereits mit 17 in den Arbeitsmarkt eintreten – im Gegensatz zu Akademikern, die erst mit 25 oder sogar später in den Arbeitsmarkt eintreten, die aber beide gleich bis zum gleichen Rentenalter arbeiten müssten.

Dies ist aber falsch. Denn wer später ins Erwerbsleben eintritt, hat entsprechend weniger Beitragsjahre. Wer nur 35 statt 45 Jahre einzahlt, erwirbt auch geringere Rentenansprüche. Die Regelaltersgrenze setzt lediglich einen Zeitpunkt fest, an dem eine bestimmte Rentenhöhe erreicht wird und von dem Abschläge und Zuschläge berechnet werden.

Wer hart arbeitet und dadurch bereits früh körperlich erschöpft ist, braucht die Anerkennung und Hilfe der Gesellschaft oft bereits früher als mit 63. Daher ist es richtig, dass die Bundesregierung die Erwerbsminderungsrenten nun verbessert.

Die Frühverrentung mit 63 passt nicht zum demografischen Wandel

Gerade in einer älter werdenden Gesellschaft mit einer stark schrumpfenden Erwerbsbevölkerung können wir auf die Generation 60+ nicht verzichten. Warum sollte man ausgerechnet gut ausgebildeten älteren Arbeitnehmern Anreize geben, früher die Betriebe zu verlassen? Dabei hat sich die Lebenserwartung seit 1960 um elf Jahre erhöht, und die Alten verbringen ihre gewonnenen Jahre meist in körperlicher und geistiger Gesundheit. Immer länger Rente beziehen und trotzdem kürzer arbeiten – diese Strategie verträgt sich nicht mit dem demografischen Wandel.

Das Rentenpaket kostet viel Geld, das an anderer Stelle gebraucht würde

Das Rentenpaket ist teuer: Es kostet mindestens 160 Milliarden Euro bis 2030. Einige Schätzungen sprechen sogar von 233 Milliarden, wenn mehr Anspruchsberechtigte als gedacht von der Neuregelung Gebrauch machen. Dieses Geld könnte man an anderer Stelle gebrauchen: bei der Bildung, bei der digitalen Infrastruktur, der Energiewende, oder für einen wirklich wirksamen Kampf gegen Altersarmut. Doch Zukunftsinvestitionen wie Breitband-Internet haben eben keine Priorität.

Wir brauchen einen Generationengipfel

Die Regierung muss einen Generationengipfel einberufen, um mit Vertretern der jungen Generation über die Zukunft der Altersversorgung zu diskutieren. Das heißt vor allem: Das Rentenniveau muss auch für die nachrückenden Generationen eine armutsfeste und beitragsgerechte Absicherung im Alter garantieren. Wer Armut und Ungerechtigkeit im Alter verhindern will, muss bei Familie, Bildung und Arbeitsmarkt ansetzen. Kinder müssen in den Mittelpunkt der Sozialpolitik rücken.

leicht verändert auch veröffentlicht auf ZEIT Online, 7.4.2014