Die SRzG vergibt 2017 zum zweiten Mal den undotierten Legislativ-Preis für das generationengerechteste Gesetz der 18. Legislaturperiode (2013-2017). Dieser soll ein Gesetz prämieren, das entweder eine Ungerechtigkeit zu Lasten der zukünftigen Generationen beseitigt oder die künftigen Generationen vor Lasten schützt. In Frage kommen alle denkbaren Gesetze auf Landes-, Bundes- oder EU-Ebene der 18. Legislaturperiode. Zum ersten Mal wurde 2017  auch das generationenungerechteste Gesetz der Legislaturperiode „ausgezeichnet“.

Vorschläge für preiswürdige Gesetze konnten bis zum 1. Mai 2017 eingereicht werden. Auf Grundlage der eingehenden Vorschläge kürte eine Fachjury bestehend aus Experten aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft das generationengerechteste und generationenungerechteste Gesetz.
Der Legislativ-Preis wurde erstmals 2013 verliehen. Er ging damals an das Atomausstiegsgesetz des Deutschen Bundestags.

 

Generationengerechtestes Gesetz

Der Legislativ-Preis 2017 für das generationengerechteste Gesetz der Legislaturperiode ging an das Elterngeld Plus Gesetz, das im Juli 2015 von der Bundesregierung verabschiedet wurde.

Der Inhalt
Das Gesetz macht es Eltern leichter, Elternzeit und Teilzeitarbeit zu kombinieren. Das Elterngeld Plus ist seit dem 1. Januar 2015 in Kraft und betrifft Eltern von Kindern, die seit dem 1. Juli 2015 geboren wurden bzw. werden. Durch das Elterngeld Plus haben Eltern künftig mehr Wahlmöglichkeiten beim Elterngeld, denn sie können ihre staatliche Förderung während der Elternzeit aus drei Elementen kombinieren: Basiselterngeld, Elterngeld Plus sowie Partnerschaftsbonusmonate.

Das Elterngeld Plus ist dabei eine Erweiterung des Basiselterngelds. In Teilzeit arbeitende Eltern haben nun die Option ihren monatlichen Elterngeldanspruch zu mindern, den Betrag aber dafür über einen doppelt so langen Zeitraum beziehen. Dabei bleibt die schon zuvor bestehende Anspruch auf zwei zusätzliche Bezugsmonate Elterngeld bestehen. Insgesamt können in Teilzeit arbeitende Eltern mit der Neuregelung also statt 12 +2 bis zu 24 +4 Elterngeld-Monate beziehen. Wenn sich beide Elternteile dazu entscheiden gleichzeitig in Teilzeit zu arbeiten um die Betreuung des Kindes partnerschaftlich zu teilen, gibt es einen Partnerschaftsbonus, von diesem sind auch Alleinerziehende mit gemeinsamem Sorgerecht nicht ausgeschlossen. Zudem ist es möglich bis zu 24 Monate der Elternzeit zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes zu nehmen.

Bewertung des Gesetzes
Die Jury begründet die Vergabe des Legislativ-Preises für die Einführung des Elterngeld Plus wie folgt:

Zum einen anderen bietet das Elterngeld Plus einen Schonraum für junge Familien. Diese haben die Möglichkeit, sich im ersten und zweiten Lebensjahr ihres Kindes voll und ganz auf die Familie zu konzentrieren.

Zum anderen werden Eltern mit der Einführung des Elterngeld Plus in ihren Vorstellungen von einer partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt. Das neue Gesetz sorgt für eine stärkere soziale sowie finanzielle Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Sowohl Mütter als auch Väter erhalten die Möglichkeit, sich die Zeit für Arbeit und Familie partnerschaftlich zu teilen. Vor Eintritt des Elterngeld Plus haben vor allem Frauen, die frühzeitig wieder in den Beruf zurückgegangen sind, weniger Geld erhalten.
Durch die Möglichkeit auch bis zu 24 Monate Elternzeit zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes nehmen zu können, wird auch die Schulzeit der Kinder berücksichtigt. Damit werden faire Chancen für die Generation der Kinder im Schulalter geschaffen.

Das Gesetz sorgt für eine Abschwächung der Benachteiligung junger berufstätiger Eltern im Vergleich zu älteren Arbeitnehmern und stellt somit eine generationengerechte Maßnahme dar. Auch aus familien- und arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten ist das Elterngeld Plus sinnvoll, denn ein früherer und umfassenderer Erwerbseinstieg von Müttern kann langfristige Lohn- und damit verbunden auch Renteneinbußen verhindern. Die neue Regelung schenkt jungen Familien mehr Planungssicherheit und unterstützt sie so in der Zeit der Familiengründung.

 

Ungerechtestes Gesetz für Generationen

In der Kategorie „Ungerechtestes Gesetz für Generationen“ ist die Rente mit 63 trauriger Sieger. Der Umstand, dass bei der Bundestagswahl 2017 erstmals mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten über 55 Jahre alt sind, hat die Große Koalition zu kostenintensiven Wahlversprechen verleitet, zum Beispiel bei der Einführung der Rente mit 63.

Der Inhalt
Wer 45 Jahre Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt hat, kann seit dem 1. Juli 2014 ab Vollendung des 63. Lebensjahres ohne Abzüge die  Altersrente für besonders langjährig Versicherte, die abschlagsfreie Rente ab 63, in Anspruch nehmen. Zuvor konnte diese abschlagsfreie Altersrente erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres bezogen werden. Wer früher in Rente gehen wollte, musste in der Regel für jeden Monat des Rentenbezugs vor der Regelaltersgrenze 0,3 Prozent Kürzungen bei der Rente in Kauf nehmen. Diese „Rente mit 63“ können Versicherte in Anspruch nehmen, die bis zum 31.12.1952 geboren wurden. Für die Jahrgänge ab 1953 steigt das Renteneintrittsalter stufenweise auf 65 Jahre an. Außerdem wurden die Anspruchsvoraussetzungen geändert, sodass Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Kindererziehung auf die Rente angerechnet werden können.

Bewertung des Gesetzes
Aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales heißt es: „Mit der abschlagsfreien „Rente ab 63″ werden die Menschen belohnt, die mit ihrer Lebensarbeitsleistung das Rentensystem stützen. Es werden diejenigen in den Blick genommen, die ihr Arbeitsleben bereits in jungen Jahren begonnen und über Jahrzehnte hinweg durch Beschäftigung, selbständige Tätigkeit und Pflege sowie Kindererziehung ihren Beitrag zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben.“
Das klingt zunächst einmal gerecht. Wieso auch sollten Menschen, die besonders hart und besonders lange gearbeitet haben nicht belohnt werden? Schließlich sollen unsere Großeltern und Eltern ihren Ruhestand genießen dürfen.

In den letzten Jahren stieg die Lebenserwartung in Deutschland durchschnittlich um 2,5 Jahre pro Jahrzehnt. In den letzten Jahrzehnten stieg die Zahl der „gesunden Jahre“ sogar noch stärker als die Lebenserwartung insgesamt und alle Prognosen gehen von einer weiteren Zunahme aus. Heute, bei einer auf mehr als 80 Jahre gestiegenen Lebenserwartung, erreichen die Deutschen ein tatsächliches Renteneintrittsalter von 64 Jahren. In der Vergangenheit verbrachten Individuen 12 Jahre (15 Prozent) ihres Lebens im Ruhestand. Heute sind es schon 17 Jahre bzw. 21 Prozent ihrer Lebenszeit. Auf der einen Seite steht also eine immer längere Ruhestandsphase – immer mehr Menschen erhalten länger Rente und immer weniger Menschen zahlen in die Rentenkasse ein. Auf der anderen Seite wird das Rentenalter gesenkt.

Eine immer längere Ruhestandsphase lässt die Kosten für die jeweilige erwerbstätige Generation steigen und führt zu einem Ungleichgewicht im Umlageverfahren. Langfristig, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in den Ruhestand gehen, wird die Rentenversicherung mit deutlich mehr Ausgaben belastet, als für die Zukunft gut ist. Eine milliardenteure Maßnahme, die angesichts der steigenden Lebenserwartung in Deutschland unverständlich bleibt und künftige Generationen teuer zu stehen kommen wird.

Die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen kürt das Gesetz „Rente mit 63“ mit dem Legislativ-Preis der 18. Legislaturperiode in der Kategorie „Ungerechtestes Gesetz für zukünftige Generationen“.

Die symbolische Preisverleihung und Diskussion der Entscheidung fand im Rahmen eines Pressgesprächs am
29. August 2017 in der Bundespressekonferenz statt. Laden Sie hier dazugehörige Informationsmaterialien runter.